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Wer will Wahrheit?

FESTSPIELE / PFINGSTEN / LA CLEMENZA DI TITO

15/05/24 Ähnlichkeiten mit Intrigantinnen auf der aktuellen Politbühne? Prinzessin Vitellia stiftet aus purem Eigennutz den leicht manipulierbaren Sesto zum Kaisermord an. Unglaubwürdig? Noch viel unglaubwürdiger: Ein Herrscher, der die Wahrheit nicht nur verträgt, sondern einfordert. Mozarts Oper La clemenza di Tito hat am Freitag (17.5.) bei den Pfingstfestspielen Premiere.

Von Heidemarie Klabacher

Der Stoff war einst ein Dauerbrenner: „Mehr als vierzig Mal war das Libretto im Entstehungsjahr 1791 zuvor bereits vertont worden“, erzählt der Dirigent Gianluca Capuano. Für ihn sei La Clemenza di tito ein ambivalentes Stück, eine Hommage an die barocke Opera seria mit modernen Aspekten in der formalen Anlage wie in der Harmonik. Beinahe „romantisch“ nennt er gar das Finale zum dritten Akt: „Am Ende seines Lebens experimentiert Mozart mit Formen.“

Das ursprüngliche Libretto stammt von Librettisten aller Librettisten, von Pietro Metastasio, jenes der Mozartoper von Caterino Tommaso Mazzolà. Dieser hat für Mozart etwa die Texte der Arien stark gekürzt. „Mozart ist in der Lage, sich auf vergleichsweise engem Raum komprimiert und knapp auszudrücken“, so der Dirigent Gianluca Capuano. Zudem enthalte Mozarts Clemenza „erstaunlich viele Terzette“, wohingegen bei Metastasio nur Rezitative und Arien vorkämen. Überhaupt hat es kaum die Hälfte der Figuren in die „Mozart-Fassung“ geschafft.

Auch in der Musik sei bei Mozart vieles „modern“. Etwa die beiden großen Arien von Sesto und Vitellia mit Klarinette bzw. Bassetthorn als konzertierendem Soloinstrument. Formal modern sei auch, berichtete Gianluca Capuano in einem Gespräch zu Probenbeginn in Salzburg, dass Mozart seine letzte Oper mit einem Duett beginne. Quasi mit einem Köpfler mitten hinein. Oder: „Es gibt im ersten Akt ein sehr schnelles Terzett, danach sofort ein großes Accompagnato-Rezitativ von Sesto und dann direkt das Finale. Das ist total modern.“

Dass Mozarts Titus eigentlich Sesto heißen sollte – der leicht manipulierbare Liebhaber und kaisertreue Kaisermörder steht eindeutig im Zentrum der „Action“ – wird immer wieder mal geschrieben. Auch hat er die – im Kontext lauter wundersamer Musik – die wundersamsten Nummern. Die für einen Kastraten geschriebene Rolle des Sesto sei „eine Reminiszenz an die alte Zeit“, so Capuano. „Die Partie erstreckt sich über mehr als zwei Oktaven und ist damit auch heute noch sehr schwer zu singen.“ In der Produktion der Pfingstfestspiele singt Intendantin Cecila Bartoli die Hosenrolle.

Für Regisseur Robert Carsen steht die Frage nach politisch richtigem Handeln im Zentrum der Oper: Was mach eine gute Regierung aus? Was erwarten wir von der Politik? Motor der Intrige im Titus ist die Exil-Prinzession Vitellia, „die durch die Heirat mit Titus ihre verloren gegangene soziale Stellung zurückerlangen möchte“, so Carsen. Der Kaiser freilich erklärt Servilia zu seiner künftigen Kaiserin. Vitellia ist doppelt gedemütigt. Titus freilich sei ein „liberaler Humanist“, dem es nicht um seine eigene Herrschaft gehe, „sondern darum, was das Volk vom Staat verlangt“. Und Servilia ist nun mal eine geborene Römerin. Dass diese den Sesto liebt, steht auf einem anderen Blatt. Dass Servilia einen Kaiser abblitzen lässt (und überlebt), macht sie zu einer der wahren Heldinnen der Operngeschichte. Mit dem wahrheitsliebenden Titus ist sie freilich ausnahmsweise an den Richtigen geraten... Titus sei „dankbar für die Wahrheit, die ihm entgegengebracht werde“. Der übrigens gelegentlich schon mit Christus verglichene Kaiser strebe, anders als viele Politiker im Zeitalter von Fake News, „einen verantwortungsvollen Umgang mit der Wahrheit an“. Regisseur Robert Carsen schätzt jedenfalls die Zweideutigkeit im Titus: „Für mich sind nicht nur Schwarz-Weiß-Kontraste, sondern auch die Zwischen-Töne interessant.“

La Clemenza di Tito - zwei Aufführungen am Freitag (17.5.) und am Sonntag (19.5.) - Wiederaufnahme am 1. August - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SFS

 

 

 

 

 

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