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Trost im Laden um die Ecke

KLEINES THEATER / MONSIEUR IBRAHIM

14/05/24 Omar Sharif war knackige achtzig, als er mit dem Film Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran seinen letzten Filmerfolg feierte. Da hat Edi Jäger also noch gut ein knappes Vierteljahrhundert Zeit, um die Rollen des Gemischtwarenhändlers und seines juvenilen Protegées Momo so recht auszureizen.

Von Reinhard Kriechbaum

Es ist der Hit schlechthin von dem erfolgsverwöhnten Èric-Emmanuel Schmitt, einem der meistgelesenen und meistgespielten französischsprachigen Autoren. Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran ist zuerst 1999 als Theaterstück herausgekommen, wurde 2001 zum Roman umgearbeitet und ist 2003 verfilmt worden. Im Kleinen Theater schlüpft nun Edi Jäger in die Rolle des jüdischen Jungen Moses/Momo, aus dessen Perspektive die Coming-of-age-Geschichte erzählt wird. In dem Einpersonenstück wechselt Jäger blitzschnell die Rollen – er ist also auch der legendäre Monsieur Ibrahim, den alle nur „den Araber“ nennen. Die Differenzierung des Fremden klappt in Paris wohl auch nicht besser als in Wien, wo Edi Jäger und Regisseur Hanspeter Horner die Geschichte spielen lassen.

Wien, Leopoldstadt also, das „Mazzes-Viertel“. Dort hat Monsieur Ibrahim seit Menschengedenken seinen Gemischtwarenladen, dort kauft Moses (den Ibrahim Momo nennt) jeden Tag ein. So er nicht Konservendosen einfach mitgehen lässt, um sein Taschengeld aufzubessern. „Dreihundert Schilling“ sind ein magischer Betrag für ihn. So viel kostet ein Besuch bei den käuflichen Damen. Bei denen vergewissert sich Momo gelegentlich seines nahenden Erwachsen-Seins. Gelegentlich geht’s auch kostenlos, denn von Monsieur Ibrahim lernt der Heranwachsende unter anderem, dass man mit Lächeln viel erreichen. Nur nicht bei Moses' unzugänglichem, emotional verstockten Vater – aber für die Herzensbildung findet Momo ja in Monsieur Ibrahim jenen Menschen, der mit ihm ein kurzes, aber entscheidendes Stück Lebensweg geht.

Der Koran? Der spielt im Grunde ebenso wenig eine Rolle wie der Talmud. Es dürfte egal sein, in welchem Wälzer man die Blüten presst, die einem wichtig sind. Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran taugt gerade jetzt, da wir von Horrormeldungen aus Gaza überschwemmt werden, zum Trost. Empathie und Freundschaft, Großzügigkeit, Toleranz – das wird in dieser Boulevardkomödie flauschig und unaufdringlich verhandelt. Und Edi Jäger ist der Garant dafür, dass es nicht bei vordergründiger Unterhaltung bleibt, auch wenn die Fangemeinde am Premierenabend sich schon schier auf dem Boden wälzen wollte, als er das erste Mal hinter dem Marktstand hervorlugte. Jäger hat die juvenile Unverblümtheit ebenso drauf wie er die Verunsicherung, das Suchen des Halbwüchsigen übermittelt. Er lässt Passanten in urigem Wienerisch reden und einen übereifrigen Autoverkäufer urkomisch ins Leere argumentieren. Und als Monsieur Ibrahim? Da ist er zurückhaltend, leise, niemals ein Besserwisser.

Die Soloperformance ist bestens synchronisiert mit Musik (Moritz Hierländer). Der Signalton und die innere Stimme, die „Lächeln“ ruft, sind ein Running Gag. Der Marktstand (Bühne: Klaus Gasperi) wird sich als variabel und zerlegbar erweisen. Mit einzelnen Dekorationsteilen kann man sogar tanzende Derwische suggerieren.

Die pfiffig inszenierte und mit unendlich viel Charme präsentierte Produktion hätte sogar das Zeug zu einer Straßentheater-Aufführung. Kommt vielleicht auch noch, denn eines ist ziemlich sicher: Edi Jäger hat mit Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran ein Stück im Talon, das ihn auf Jahre begleiten wird. Dass der Konflikte im Vorderen Orient weniger werden, ist nicht zu erwarten, der Theatertext bleibt also aktuell. Und die Botschaft sowieso.

Nächste Aufführungen am 18. und 24. Mai sowie am 19. Juni – www.kleinestheater.at
Bilder: Theater Cronos / Hartl-Gobl

 

 

 

 

 

 

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