Himmels Harfe und Hammer
OSTERFESTSPIELE / CHORKONZERT / THIELEMANN
13/04/22 Als Gegensatz zum Lohengrin ein Chorkonzert der Staatskapelle Dresden unter Christian Thielemann mit Werken des späten Bruckner. Das Ringen zwischen Religion und Drama als Basis für Überwältigungskunst mit dem Chor des Bayrischen Rundfunks und Solistenquartett.
Von Erhard Petzel
Dem lieben Gott widmete Bruckner seine Neunte, nachdem das naheliegende weltliche Herrscherpersonal bereits vergeben war. Selbiger erlaubte seinem treuen Diener dennoch nicht, diesen Abgesang in d-Moll fertig zu stellen. Vielleicht weil er sich in der Motette Vexialla regis und dem Te Deum C-Dur für Soli, Chor, Orchester und Orgel hinreichend gewürdigt fand? Da letzteres in Beethoven'scher Manier durchaus als Schlusssatz für die unvollendete Sinfonie Nr. 9 gehandelt wird, ergeben diese drei Werke einen in sich logischen Bogen für einen Konzertabend.
Bruckners Schwanengesang stellt nicht nur die Quintessenz seines eigenen Schaffens dar, er weist in seiner Konzentration auf den kompositorischen Schaffensansatz, aus teils banalen Elementen einen komplexen Kosmos mit unwiderstehlicher Sogwirkung zu entfalten, über seine Zeit hinaus. Ohne dabei die Referenz auf die Weggenossen zu vernachlässigen.
Thielemann treibt seine Dresdner in der Neunten in so dramatische Gefilde, dass die Modernität Bruckners emotional schlagend, teilweise fast erschlagend wird. Dass die Hörner ihre Einleitungsmotive vorneweg nicht kleinlaut unterdrücken, führt allgemein zu einer prägnanten bis robusten Darstellung der Bläser, die damit ihre Linien und Kontrapunkte scharf in die Klangwogen schneiden und damit das Gewebe sehr transparent und übersichtlich halten. Das dissonante Spiel mit Vorhalten und Durchgängen, in allen Sätzen durch untereinander kommunizierende Phrasen entsprechend, wird so einmal beweglich, ein andermal wuchtig durch verschiedene Register getrieben, dass sich der strukturelle Kontext vor dem erschauernd Hörenden deutlich erschließt.Verschleiernde Mystik hat hier keinen Platz, die Tonsprache ist klar, strahlend und auch streng.
Der markante Grundrhythmus im Scherzo treibt die arme Seele zum Höllengalopp, selbst das Trio kommt von der an Mendelssohn erinnernden Verspieltheit in eine gespenstische Lieblichkeit, um im Weltschmerz zu landen. Das Adagio hält reichlich Gelegenheit für die Bläser bereit, in Register-Dialoge zu treten. Königliche Trompeten führen in göttliche Sphären, bis der Satz im seligen Reigen ausläuft. Dem begeisterten Applaus mischt sich ein Buh unter. Dass es nicht dem vielleicht empfundenen Mangel an entrückender Transzendenz geschuldet ist, zeigt sich am Schluss, wenn aus der gleichen Ecke der Blöklaut gleichförmig als Beifallskontrapunkt durchgeht.
Als absoluter Kontrast nach der Pause Chor a cappella – Vexilla regis. In seiner letzten Motette zeigt sich der in der katholischen Kirchentradition sozialisierte Christ in aller klangschönen Innigkeit, die der Chor des Bayrischen Rundfunks, Einstudierung Howard Arman, überirdisch verwirklicht. Der Applaus danach passt nicht, ist aber wohl unerlässlich, will sich ein Publikum in seinen Gefühlsregungen doch auch beachtet sehen.
Mit dem Te Deum dann der Hammer für Chor und Orchester, denen überwiegend Gelegenheit zum religiösen Furor geboten wird. Für die Solisten etwas undankbar. Camilla Nylund, Elena Zhidkova und Saimir Pirgu jubeln für Cherubim und Seraphim, der profunde Bass Franz-Josef Selig gesellt sich beim Te ergo quaesumus hinzu. Im Wechselgesang mit dem Chor bei Salvum fac populum tuum ist Volkes Höhensprung hörbar fies für den Solotenor. Zum Schluss ist das Quartett noch zweimal großstimmig im beschränkten Einsatz, doch wiederum sind es der Chor mit Fuge und allem Drum und Dran und das Orchester mit Lohengrin würdigen Fanfaren, die den Herrn darum angehen, in Ewigkeit nicht zu vergehen.
Der Schlussapplaus wird von Herrn Bachler unterbrochen, der Arabel Karajan anführt. Die übergibt den diesjährigen Herbert-von-Karajan-Preis der Staatskapelle Dresden für die Verdienste um ihr Wirken in Salzburg. Diese will ihn für Projekte verwenden, Kinder und Jugendliche in die Musiktradition einzubinden. Die Staatskapelle Dresden und Christian Thielemann finden herzliche Worte für die warme Aufnahme und Wertschätzung in Salzburg, das sie sehr genossen haben.
Bilder: OFS / Erika Mayer