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Priority mit Stefan Zweig

STICH-WORT

15/07/24 Ganz ehrlich: Wir haben nachschlagen müssen. Seit man in Postämtern – so man eines in Reichweite findet – dazu eingeladen ist, Briefe am Automaten selbst aufzugeben, denkt man ja nicht mehr über Postgebühren nach, sondern druckt einfach den Aufkleber aus und zahlt mit Bankomatkarte.

Von Reinhard Kriechbaum

Nun aber wissen wir: Die neue Briefmarke mit dem Porträt von Stefan Zweig, Nennwert 1,20 Euro, kommt auf einen Norm-Brief, der im Inland „priority“ befördert werden soll. Ingeborg Bachmann kommt nur in Frage, wenn man es nicht ganz so eilig hat. Deren 95 Cent taugen nur für ein Brief-Leichtgewicht auf der „Eco“-Schiene.

Die Zweig-Briefmarke täte auch für einen nicht vordringlichen Brief innerhalb der EU bzw. Europas passen. Mit Ingeborg Bachmann (1926–1973) hat im Oktober vorigen Jahres eine Sondermarkenserie Literatur aus Österreich begonnen. Jetzt kommt, als zweite Marke, Stefan Zweig (1881-1942) dran. Am 17. Juli ist erster Ausgabetag. Diese Serie hat ein einprägsam schlichtes Design (Graphik: Roland Vorlaufer). Zwischen einem weißen und einem farbigen Feld steht das Porträt in Grauabstufungen. Dazu jeweils ein Zitat.

„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ stammt aus Bachmanns Dankesrede, die sie 1959 anlässlich der Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden für ihr Hörspiel Der gute Gott von Manhattan hielt. Das gleiche Zitat diente dann als Buchtitel für eine bei Piper erschienene Essaysammlung.

Auf der Zweig-Briefmarke steht: „Es ist schöner, einen Menschen zu verstehen, als über ihn zu richten.“ Schade, dass jene Menschen, die in den sozialen Netzwerken zu allem und jedem unter Hochdruck Dampf ablassen und dabei stets die Vernunft und Wahrheit auf ihrer Seite orten, wohl eher keine Briefe schreiben. Geschweige denn, dass sie sich die Mühe machen, einen Brief mit Sonermarke individuell zu frankieren. Ist ihnen überhaupt zuzutrauen, dass sie das Wort „frankieren“ noch kennen? Das Zweig-Zitat auf der Briefmarke stammt aus der Novelle Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau, die 1927 als Teil des Bandes Verwirrung der Gefühle erschien.

Bilder: Österreichische Post

 

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