Immer noch da – und wie!
GALERIE ALTNÖDER / OSWALD OBERHUBER
17/01/11 „Der ewige Prozess der Geburt“ hat die Retrospektive zu seinem 75. Geburtstag in der Wiener Secession geheißen. Demnächst wird Oswald Oberhuber achtzig (am 1. Februar) - und wer in die Galerie Altnöder geht, kann nachfühlen, wie der Grandseigneur der Unangepasstheit nach wie vor Neues um Neues hervorbringt.
Von Reinhard Kriechbaum
"Alterswerk gibt es nicht. Jeder, der meine Arbeiten sieht, egal aus welcher Periode, meint, sie müssten von irgendeinem Jungen sein." Wer so etwas über sich selbst sagt, muss sich schon im Vollbesitz der Innovationskraft wissen. „Bei Oswald Oberhuber lässt sich kein Alterswerk feststellen, weil er sich generell nicht feststellen lässt“, hieß es jüngst in einer Kunstzeitschrift über den Jubilar. Wie wahr.
Ein verbindendes Motiv, eine Technik, eine Linie? Nichts da. Auch wenn in der Schau mit neuen und neuesten Arbeiten eine Serie von Blättern hängt, die wie Skizzenblätter eines EDV-Fachmanns ausschauen, wie Organigramme einer Maschinensprache, Prototypen einer neuen Programmiermethode. Ziffern tauchen da auf, Zickzacklinien aus mathematischen Symbolen. „Wohin“ heißt eines dieser Blätter und ein anderes: „Roter Garten“. Da könnte man an die Vergrößerung eines Blutstropfens unter dem Mikroskop denken. Und die wiesenhellgrün grundierte Leinwand, auf der sich blaue und rosa/rötliche Einzeller in ungeordneter Turbulenz zu tummeln scheinen? Vielleicht denkt man an Fischlaiche oder auch an Spermien. Und ein paar Meter weiter bimmeln heitere Frühlingsblumen ...
„Ohne Titel“ heißt es oft. Da ist unmittelbar von dem Künstler also keine Interpretationsanleitung zu erwarten. Wie auch von einem, der Mitte der fünfziger Jahre seine Theorie von der „Permanenten Veränderung in der Kunst“ deklariert und damit die Postmoderne um Jahrzehnte vorweggenommen hat.
Wie altmodische Sputniks ziehen „Mond und Mond“ über ein Blatt, bunte Kugeln, die ihren Weg suchen zwischen einander überschneidenden Kreisen mit Vektor-Pfeilen: Da ist wieder dieser verspielt-ironisch „technische“ Zugang, der doch heiterste Poesie gebiert!
Oberhubers Bedeutung für die österreichische Moderne ist so vielfältig wie sein Werk. Mit 19 erfindet er die informelle Plastik. Wenige Jahre später proklamiert er lustvoll die Freiheit von Stilzwängen. Oberhuber setzt Akzente als Ausstellungsmacher, als Lehrer, als Rektor der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und in der Kulturpolitik - auf allen Gebieten ein großer Anreger. Er holt Joseph Beuys und Andy Warhol in die Galerie nächst St. Stephan, arbeitet schon 1979 an einem Konzept für ein Museum der Moderne am Areal des heutigen Museumsquartiers. In musealen Ausstellungen befasst er sich mit der Malerei der Zwischenkriegszeit, den Anfängen der Abstraktion in der Monarchie und mit der "Vertreibung des Geistigen" unter dem Nationalsozialismus. Am bedeutendsten für ihn selbst, so sagt er, sei seine Zeit als Rektor an der Hochschule für angewandte Kunst gewesen, wohin er Beuys, Lagerfeld, Immendorf, Spoerri und andere eingeladen hat. Elite gehe dorthin, wo schon Elite ist, sagte er damals.
In einer unauffälligen Ecke der Galerie hängen, wie eben aus der Rumpelkammer geholt, einige legendäre alte Dinge. Etwa die Fotoserie einer Kunstaktion ("Auferstehung"). Ja freilich, beim Aktionismus hat Oberhuber auch schon mitgemischt. Aber einer bestimmten Richtung hat er sich nie zuordnen lassen. Er war immer schon einige Feder- oder Pinselstriche und noch einmal einige Denk-Windungen weiter als seine Exegeten.