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Das Schreien muss leise sein

KUNSTVEREIN / PERFORMANCE

10/07/24 Brennt, wenn's um das Thema Pflege geht, der Hut, oder brennt das Dach? Und was von beidem ist schlimmer? Wie auch immer, es ist im Wortsinn ein Fall für die Feuerwehr. Anna Witt hat deshalb in ihre Performance The Roof Is on Fire im Salzburger Künstlerhaus tatsächlich auch zwei Salzburger Feuerwehrfrauen eingeladen.

Von Reinhard Kriechbaum

Vor allem ging's bei dem Projekt im Rahmen der Performance-Reihe Smart Nursing des Kunstvereins Salzburg um die Situation in der Pflege. Die 1981 in Bayern geborene Anna Witt arbeitet partizipativ, und so hat sie Pflegerinnen vom Landesklinikum Salzburg eingeladen und mit ihnen gemeinsam eine Woche lang eine Performance entwickelt. Am Samstag (6.7.) war sie zur Nachmittagsstunde im Künstlerhaus zu sehen, und daran schloss sich eine Diskussion an.

Die vier „Patienten“: lebensgroße, kopflose Stoffwesen, ausstaffiert mit Luftballonen. An ihnen und mit ihnen arbeiten sich also die Pflegerinnen ab. Man bekommt rasch mit, wie kräfteraubend es sein muss, mit in der Bewegung eingeschränkten Menschen umzugehen. Noch dazu, wenn den PPflegerinnen mehr aufgehalst wird, als menschenmöglich erscheint. Eine bekommt gleich alle vier Puppen aufgeladen und bricht unter der vermeintlichen Last zusammen. Die aus Geräuschen gewonnene, oft beinhart knatternde Musik scheint eine gewisse Ausweg- und Aussichtslosigkeit zu suggerieren. Optimierung bei der Pflege ist angesagt. Einmal Herzmassage durch vier übereinanderliegende Puppen hindurch? Das schaut verspielt aus und bereitet dem Betrachter doch eine Gänsehaut.

„In unserem Beruf ist oft kein Agieren mehr möglich, nur noch ein Reagieren, um den Tag würdevoll herum zu bringen“, wird eine der Darstellerinnen in der anschließenden Diskussion sagen. Und eine andere: „Pflege fordert ein hohes Maß an Leidensfähigkeit, viel Frustrationstoleranz.“ Ist eingeübtes Teamwork die Lösung? Wie die vier Pflegerinnen einander erst eine, dann zwei der Puppenkörper zuwerfen, scheint's gut zu gehen, aber gleich vier? Fehlgriffe und Abstürze sind unvermeidlich. Das Hinausschreien der Überlastung – wen wundert's? „Ich schreie oft“, wird eine der Frauen nachher bestätigen, „aber leise in mir drin, weil der Patient braucht Sanftheit“.

Auch für diese Sanftheit gibt’s Szenen, in dem Theater aus Körper und Bewegung sieht man auch das Positive. Liebevolle Zuwendung verlangt nach Zeit, nach analoger Begegnung, nach Geduld und Ruhe. Aber schließlich obsiegt doch der Stress, es steuert auf eine Kastastrophe hin. Dichter Rauch, The Roof Is on Fire, ganz wörtlich. Da kommen die Feuerwehrfrauen dran, legen ihre 25-Kilo-Monturen an und holen im Licht von Stirnlampen Patienten heraus. Zwei von Vieren nur. Diese Quote sollte zu denken geben.

In der Reihe Smart Nursing , kuratiert von der Kunstvereins-Direktorin Mirela Baciak, werden also in exklusiv in Auftrag gegebenen Performances Fragen der Pflege bis hin zur eventuellen digitalen Pflege angesprochen. Die Reihe wird mit der der Produktion Obelix Nutrix von der Polin Ania Nowak abgeschlossen, am 17., 18. und 21. August im Künstlerhaus.

salzburger-kunstverein.at
Bild: dpk-krie

 

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