asdf
 

Augen zu und durch!

OPER GRAZ / DIE PERLENFISCHER

21/12/21 Musik schön. Regie verbockt. Die Perlenfischer von Georges Bizet ärgern eigentlich mit ihrem misogynen Libretto. Kommt dazu eine Szene aus der Klamottenkiste, wird es beinahe unerträglich. Ein brillantes Solisten-Quartett und wohl dosierte Opulenz aus dem Orchestergraben bescheren in Graz immerhin einen musikalisch ertragreichen Opernabend.

Von Heidemarie Klabacher

So oft hört man diese geradezu unverschämt schöne Musik ja nicht. Die Liebe der Rezensentin zu Bizets Les pêcheurs de perles wurde 2018 entfacht, von einer konzertanten Festspiel-Aufführung, bei der die Szene überhaupt nicht abgegangen ist. Farbe und Flair liegen in der Musik selbst, die zum Abtauchen einlädt – ohne folkloristischen Südseezauber im Indischen Ozean. Die Geschichte spielt auf Ceylon, dem heutigen Sri Lanka.

Genau dort liegt das Problem der Grazer Aufführung und der Inszenierung von Ben Baur und Beate Vollack. Das Bemühen um ein halbwegs neutrales Setting zeigt sich in ein paar Felsbrocken (die Ähnlichkeit mit dem aktuellen Wiener Don Giovanni ist sicherlich zufällig) ohne subtropische oder sonstige Deko. Wer stirbt schon gerne unter Palmen? Gestorben wird übrigens gar nicht in dieser Oper. Sogar der sich anbahnende Femizid wird verhindert! Zwei Männer lieben die selbe Frau, einer tritt zurück und ermöglicht dem Paar die Flucht...

Nämlich die Flucht vor den erbosten Perlenfischern, die sich für ihre lebensgefährliche Taucherei der Hilfe der Götter versichern und dafür eine Priesterin anheuern. Diese soll durch ihren Gesang die Dämonen des Meeres besänftigen. Natürlich erfordert das eine „unberührte“, eine „reine“ Jungfrau. Wir kennen ein solches Frauenbild zu gut aus unserer Religion. Auch auf der Insel an der Südspitze Indiens misstraut man der Frau von Haus aus. X-mal muss die Priesterin vor Dienstantritt Enthaltsamkeit geloben, und natürlich ist die Eidbrüchige dann ganz allein schuld am aufkommenden Sturm.

Ben Baur und Beate Vollack setzen statt eines erkennbaren Regiekonzepts auf Händeringen. Arme werden über und neben dem Kopf ausgestreckt. Hände mit verhakten Daumen deuten Flügelschlag an. Der ceylonesische Vogerltanz – es gibt sanfte und blutrünstige Vögel, gestellt vom Ballett – basiert wohl auf vergilbten völkerkundlichen Quellen. Die stilecht als edle, aber wilde Insulaner gekleideten Perlenfischer (samt Damen) stellt der von Bernhard Schneider wohl einstudierte Chor. Zusammen mit den Armen von vier Protagonisten kommt einiges zum Fuchteln zusammen. Augen zu und durch!

Marcus Merkel am Pult der Grazer Philharmoniker setzt anfangs auf Power, fährt aber alsbald zurück auf einen wohl gerundeten delikaten Sound aus dem Orchestergraben. Solopassagen erblühen elegant, treten ebenso elegant wieder in den Gesamtklang zurück. Tetiana Miyus singt bravourös die anspruchsvolle Partie der Tempelpriesterin Leïla. Sie begeistert mit klaren Koloraturen wie mit weit gespannten weich gerundeten Linien.

Die beiden Männer, die einst um ihrer Männerfreundschaft willen versucht haben, diese betörende Dame zu vergessen, sind der Jäger Nadir und der Perlenfischer Zurga, eben zum Insel-Oberhaupt gewählt. Das Duett der beiden, eines der einprägsamsten Männerduette der Opernliteratur überhaupt, ist ein Höhepunkt.

Andrzej Lampert als Nadir überzeugt mit tenoralem Schmelz bis in höchste Lagen. Mit der französischen Originalsprache plagt er sich redlich ab. Dariusz Perczak als Zurga punktet mit baritonaler Ruhe und Grandezza. Daeho Kim gibt einen darstellerisch wie sängerisch ebenso dämonischen wie überzeugenden Gemeinde-Ältesten: Dieser Nourabad könnte in einer Regie, die diese Bezeichnung verdient, eine spannende Rolle als Strippenzieher spielen. Hier bleibt diese eindrucksvolle Sänger-Persönlichkeit Staffage. Chapeau auch für Chor & Extrachor der Oper Graz: Klagen, Triumphieren, Schwärmen, viel musikalischen Kolorit hat die Menge der Perlenfischer beizusteuern. Sie tun dies mit Geschmeidigkeit und Homogenität.

Bilder: Oper Graz / Werner Kmetitsch
Aufführungen bis 7. April 2022 – oper-graz.buehnen-graz.com

 

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014