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Himmlische Todestrauer und irdische Lebenslust

MOZARTEUMORCHESTER

23/10/15 Man soll nie an einen Unstern denken, dieser Abend zeugt dafür. Da erkrankt Ivor Bolton, doch Leo Hussain springt kurzfristig ein. Dann verstellt eine Nobelkarosse die Mozarteumseinfahrt, sodass deren Besitzer diesen feuerpolizeilichen Missstand erst beseitigen muss, bevor das Konzert beginnen kann.

Von Erhard Petzel

Eine launige Conference wird zum gefälligen Ereignis. Entsprechend aufgelockert kann man sich auf Schönbergs Erste Kammersymphonie einlassen. Souverän lotst Hussain die 15 divergenten Instrumente durch melodische Wendungen, die sich an Strauss und Mahler abarbeiten, zu wagnerianischen Rufen verdichten. Lyrische Seitenthemen feiern erbarmungslos Dissonanzen und klassisch-romantische Rhythmusstrukturen wollen dynamisch geführt sein.

Die leichte Erschöpfung nach diesem monolithischen Zeugnis des Kampfes eines Titanen um das Neue in seiner Kunst wird sogleich verblasen und kontrastiert mit der höchsten Stufe musikalischer Magie im Violinkonzert des Schülerfreundes Alban Berg. Das Ringen mit der Vergangenheit und das Ausarbeiten von Moderne gelten auch hier, wie anders aber steht es dabei um den emotionalen Untergrund.

Was bei Schönberg spröde Klanglandschaft, ist bei Berg sinfonische Therme mit überraschenden Güssen und Strudeln, gewaltigen Tiefen und leuchtenden Untiefen. Unentwegt geistert die Solo-Violine über Pulsen, die sich von Walzern in Totentänze wälzen. Im zweiten Satz wird das Selige völlig von Schicksalsschlägen überdeckt, bis es in seiner Verzweiflung vom Tutti niedergestreckt wird. Ein unendlich traurig-süßer Choral lädt zum Dialog bis zum finalen Schlusston, hoch über der Klage aus Blech.

Dass ein Tränenbad gerade noch ausbleibt, liegt an der unnahbaren Nobilität dieser Musik, die nicht wahrgenommen werden will ohne das Wissen um den Tod des 18-jährigen Engels, Manon Mahler-Werfel, dem Berg dieses Requiem widmete. Wenn darin Volksmusik zitiert wird, geschieht dies anders als woanders. Der emotionale Schmerz durch intellektuelle Gebrochenheit und die Lebensumstände Bergs emanieren zudem die tragische Gestalt eines Adrian Leverkühn und damit die Tragik des Rezensenten, nicht über Thomas Manns Sprachmacht zu verfügen.

Stattdessen personifiziert sich der jugendliche Engel mit himmlischem Geigenspiel in Veronika Eberle. Nach der Pause hat sie noch einen Auftritt mit dem Konzertstück für Violine und Orchester des ebenfalls noch jugendlichen Schubert. Bemüht man das Klischee vom heiteren Mozart, findet es sich hier bis in die neckisch-tragischen Ausläufer in Moll bestätigt. Durch seine spritzige Einsätzigkeit allerdings auch wieder zukunftsweisend für das Genre der Virtuosenmusik.

Die große Lebensbejahung zum Beschluss in Schuberts 3. Symphonie in D-Dur, D 200. Vor allem die Randsätze beben vor Beethoven'scher Intensität, die Hussain im Orchester aufschäumen lässt.

Hier ist klar, dass der Einspringer kein Gast von außen, sondern als ehemaliger Opernchef im Landestheater selbst zuhause ist. Orchester und Dirigent vertrauen sich und sind miteinander vertraut. Die Musik ist Genuss und Festrausch. Der Melancholiker indes bemerkt leicht betrübt, wie der Nachgeschmack des Berg-Wunders durch diese sinnliche Überwältigung überlagert wird.

Bilder: Marco Borggreve (1); Pia Clodi (1)

 

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