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Klavier und Klarinette im Alleingang

CD-KRITIK / JIANG YI LIN, SIMON REITMAIR

01/0615 Beide studierten sie u. a. in Salzburg an der Universität Mozarteum: der in München geborene Pianist chinesischer Abstammung Jiang Yi Lin und Klarinettist Simon Reitmaier aus Tirol, deren erste Aufnahmen aufhorchen lassen.

Von Horst Reischenböck

Es ist nicht einfach, sich im heutigen Musikbetrieb individuell zu positionieren. Im Fall von Debüt-CDs bedarf es dazu anstelle eher beiläufiger Programmzusammenstellung schon mindestens eines schlüssig nachvollziehbaren Konzepts. So wählte sich der 27jährige Jiang Yi Lin, einer der letzten Schüler von Karl-Heinz Kämmerling, der seine Studien dann bei Eva Kupiec fortsetzte, als übergreifendes Thema „Masques“.

Jiang Yi Lin geht vom gleichnamigen, literarisch inspirierten Zyklus op. 34 von Karol Szymanowski aus und setzt fort mit Aleksandr Skrjabins kurzer Masque op. 63/1 und jener von Claude Debussy L. 110, beides Raritäten. Mit auf ihre Weise irgendwie „maskierten“ Gefühlen haben wir es in den letzten drei tragischen Klavierstücken D 946 von Franz Schuberts und in „Après une lecture de Dante: Fantasia quasi Sonata“ von Franz Liszt zu tun, letztere inspiriert durch Victor Hugo, den wiederum des Italieners „Inferno“ zu einem Gedicht „Die verzerrte Maske leidenden Hasses“ anregte. Als befreiend beruhigenden Appendix fügte Lin daran zum Abschluss Chen Peixus Arrangement des impressionistisch beeinflussten „La lune d'automne au-dessus du lac tranquille“ (Herbstmond über dem ruhigen See) des kantonesischen Komponisten Lü Wencheng hinzu.

Eine mehr als bloß interessante Werkwahl also, der Jiang Yi Lin in allen Details nicht bloß technisch bravourös gerecht wird, sei es in den Debussys Virtuosität fordernden Tonrepetitionen oder im beeindruckend einfühlsamen Nachsinnen Schubertscher Melancholie. Vollends getoppt in Liszts „Dante-Sonate“, in der dieser vielversprechnde Pianist vom ersten glockenhaften Einstieg sowohl nachdenklich wie mit großer Gebärde auftrumpfend für sich einnimmt.

„Im Atem der Zeit“: Damit dokumentiert Simon Reitmair, einst Student von Alois Brandstätter und inzwischen im In- und Ausland sowohl kammermusikalisch wie in Orchestern erfolgreich tätig, sein Können in Eigenregie. Klarinette im solistischen Alleingang zählt nicht unbedingt zum Alltäglichen, auch nicht seitens der Angebote von Komponisten.

So führt Reitmaier vorerst einmal mit der Allemande aus Johann Sebastian Bachs d-Moll-Solopartita für Violine BWV 1004 durch die Register seines Instruments. Auf die spritzig amüsante „Hommage an Richard Strauss“ von Bela Kovacs folgt die Adaption von Debussys „Syrinx“, in der die Klarinette der ursprünglich erdachten Flöte durchaus nicht nachsteht. Gewichtige Aufmerksamkeit erheischt die Ersteinspielung „Für Simon – Vier Stücke für Klarinette in B“. Da lässt Mozarteum-Professor Ernst-Ludwig Leitner Gustav Mahler wie Richard Wagner paraphrasieren: dankbare „Spielmusik“ für den Ausführenden, im besten Sinn des Wortes. Raritäten wie Sigfrid Karg-Elerts 13minütige Solosonate op. 110 und zwei der „Drei Klare für Klarinette“ PWW 128 von Reitmairs Landsmann Werner Pircher umrahmen „Abîme des oiseaux“ aus Olivier Messiaens „Quatuor pour la fin de temps“ und die ursprünglich für Fagott komponierte, durch und durch melodiöse Rhapsody von dem US-Amerikaner Wilson Osborne. Ein Genuss, nicht bloß für Freunde des „süßen Hölzls“.

Masques – Szymanowski, Scrjabin, Debussy, Schubert, Liszt & Wencheng. Jiang Yi Lin (Klavier). Solaris Records CD SOL 14101 – www.jiangyilin.com
Im Atem der zeit – Bach, Kovacs, Debussy, Leitner, Karg-Elert, Messiaen, Osborne & Pirchner. Simon Reitmair (Klarinette) – www.simonreitmaier.at

 

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