Verzaubert bis halb Drei
MOZARTWOCHE / CAMERATA SALZBURG
04/02/19 So kurz wie das Akademie-Konzert der Mozartwoche am Sonntag (3.2.) nämlich „nur“ dreieinhalb Stunden lang, waren die „Akademien“ der Wiener Klassik nicht – unter fünf Stunden ging da nichts. Aber auch zwei Drittel des Programms von Mozarts Benefizkonzert am 23. März 1783 im alten Wiener Burgtheater reichen für eine Matinee.
Von Gottfried Franz Kasparek
Die tüchtigen Wirtsleute boten im Wiener Saal gottlob in der einzigen Pause Frankfurter Würstel an. Die gab es anno 1783 so noch nicht. Kleiner Tipp fürs nächste Mal: Leberknödel mit Sauerkraut, das war die Leibspeise Wolfgang Amadés. Dann wäre das kulinarische Erlebnis, das so ein Konzert auch musikalisch sein kann und diesmal durchaus war, in jeder Beziehung rund. Was für ein, im Gedenken an den alten Gulda, „Wödmasta“ Mozart war, wurde deutlich bei echten „Hits“ wie zwei Rondos. Jenem spritzigen aus dem in der Haffner-Serenade inkludiertem Violinkonzert und jenem für Konzert für Klavier und Orchester KV 382 mit seinem genial simplen Hauptthema. Wenn noch dazu eine mit Spielwitz gesegnete Geigerin wie Janine Jansen und ein um Improvisationen nicht verlegener Pianist wie Robert Levin dabei zugange sind, springt der Funke des vom Papa Leopold so trefflich verlangten „popularen“ nicht nur in die Reihen der frohgemuten Camerata Salzburg, sondern auch direkt ins Publikum.
Doch schön der Reihe nach. Den Anfang machten die Sätze eins bis drei der Haffner-Symphonie, furios und effektvoll, doch ebenso klangintensiv zu Gehör gebracht von der Camerata unter der inspirirenden Leitung von Konzertmeister Gregory Ahss. Da schwebte, wie mehrmals in diesen Mittagsstunden, der Geist Sándor Véghs wohlgefällig durch den Raum. Daraufhin betrat die regsame Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann das Podium und interpretierte in jeder Beziehung attraktiv, vor allem mit wundersam hell leuchtender Stimme, ein wenig sinnbetörendem Vibrato vom Feinsten und klarer Tongebung die Arie der Ilia aus Idomeneo. Danach musizierten Janine Jansen und der Bratscher Henning Kraggerud die Sinfonia concertante KV 354 in schönster Partnerschaft, nicht nur technisch untadelig, sondern, was wichtiger ist, mit exquisit ziseliertem, im Andante quasi mit frühromantischem Silberstift gezeichnetem Ausdruck. Dass es da mitunter ein wenig knirschte zwischen Soli und Orchester, war kein Wunder bei diesem Marathon. Vor der Pause kam dann Frau Mühlemann wieder und bezauberte mit Leidenschaft und gestochen sitzenden, nie schrill werdenden Koloraturen in der Konzertarie Misera, dove son!“
Nach der Pause dann also das Violinkonzert aus der Haffner-Serenade in bester Harmonie, gefolgt vom Allegro aus dem frühen D-Dur-Klavierkonzert KV 175 und oben genanntem Rondo mit Robert Levin, der den Steinway spielt wie ein Hammerklavier, aber eben in dem Saal und dem Orchester gebührender Lautstärke. Mozart würde sich freuen, endlich einmal ein größere Räume als Salons wirklich erfüllendes Instrument zu haben. Dann wieder Arienzauber mit der famosen Sopranistin: Voi avete un cor fedele KV 217, eine Einlage in eine Oper von Galuppi. Gleich darauf das von Levin fertig gestellte Fragment des Konzerts für Klavier, Violine und Orchester KV 315f, ein dramatisch akzentuierter Allegro-Satz. Doch damit nicht genug. Der Pianist ließ noch solistisch perlend die Variationen über Glucks Unser dummer Pöbel meint hören, die wahrlich „erste Sängerin“ die virtuose Arie der Giunia aus Lucio Silla. Ja, so gut kann die Camerata Oper spielen, wenn sie nicht durch Laserstrahlen und Explosionen behindert wird. Neunzig Prozent des Publikums waren noch da, als um halb Drei der wie jede Nummer dieser Akademie bejubelte, rasante Kehraus kam, das Finale der Haffner-Symphonie.
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher