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Die Stumme findet ein Klavier

FILMKRITIK / GLORIA!

04/09/24 Popkultur und Hochkultur werden hierzulande gerne voneinander getrennt betrachtet. Auch am unterschiedlichen Publikum kann man ablesen, dass diese Welten hierzulande nur wenig Berührungspunkte haben. Eine gelungene Brücke von klassischer Musik zu Popmusik schafft hingegen die italienische Schauspielerin und Popsängerin Margherita Vicario mit ihrem beglückendem Regiedebüt Gloria!

Von Andreas Öttl

Teresa (Galatéa Bellugi), von allen nur „die Stumme“ genannt, arbeitet als Dienstmagd in einem kirchlichen Institut für Waisenkinder – einem sogenannten Ospedale – in der Nähe von Venedig um 1800. Niemand ahnt etwas von ihrem außergewöhnlichen musikalischen Talent. Als das Kollegium den Besuch des frisch inthronisierten Papstes erwartet, soll der alte Kapellmeister (Paolo Rossi) eine neue Komposition für dieses Ereignis ersinnen. Er müht sich mit dieser Aufgabe ab. Teresa entdeckt wiederum in der Abstellkammer ein neues Klavier, welches damals noch wenig verbreitet war. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von anderen Musikerinnen verstößt sie gegen die Konventionen ihrer Zeit und erfindet eine rebellische, leichte und modern klingende Musik – in Vicarios Film angedeutet als die Geburtsstunde der Popmusik.

Gloria! hätte durchaus das Potential gehabt, jene Art von Film zu werden, die von manchen Cineasten gerne etwas abschätzig betrachtet wird. Wie auch manchen Vertretern von Kulturinstitutionen ist ihnen ein gewisser Hang zum Snobismus nicht ganz fremd, wenn es darum geht, die von ihnen als höherwertig eingeschätzte Kunstform zu verteidigen. Doch Gloria! mag zwar im Kern nicht viel mehr als ein netter Historienfilm mit der Ambition von Geschichtskorrektur und was die Filmsprache betrifft eher brav sein, ist jedoch zu sympathisch und erfrischend, um ihn nicht mögen zu können. Man kann sogar argumentieren, dass Margherita Vicario für die Erzählung der Geschichte aus der Sicht von jungen Frauen und für ihr Thema – der Entfesselung weiblicher Kreativität - eine durchaus passende Form gefunden hat. Im Besonderen trifft dies auf die Musiksequenzen zu. Bereits die Anfangsszene, in der die Protagonistin aus den Geräuschen in ihrer Umgebung in ihrem Kopf eine Komposition (im Stil von moderner Minimal Music) erschafft, ist sehr originell und bereitet das Publikum darauf vor, dass es hier kein biederes historisches Drama zu sehen und zu hören bekommt.

Ebenso großartig, ja beinahe euphorisierend funktionieren die fließenden Übergänge der im Film vorkommenden Stücke aus der Barockzeit mit der elektronischen Filmmusik, welche Margherita Vicario selbst gemeinsam mit Davide Pavanello komponiert hat. Was die Dramaturgie und die Charakterisierung der Figuren betrifft, verlässt der Film hingegen ausgetretene Pfade nicht und auch in visueller Hinsicht gibt es kaum spannende Einfälle. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Gloria! nicht nur auf der Unterhaltungsebene überwiegend gut funktioniert, sondern auch eine gehörige Portion Verve hat und damit jedenfalls den vielen vergessenen Komponistinnen der Vergangenheit retrospektiv Ehre erweist.

Bilder: pandafilm.at

 

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