Im dunklen Bergwerk der Seele
HINTERGRUND / FESTSPIELE
30/07/21 Die Frage, wie man heutzutage eine Bergkönigin spiele und wie diese aussehen könnte, die mag Regisseur Jossi Wieler noch nicht beantworten. Nur so viel verrät er: Es werde auch Zauber geben in seiner Inszenierung von Hugo von Hofmannsthals Das Bergwerk zu Falun, die am 7. August im Landestheater Premiere hat.
Schauspiel-Leiterin Bettina Hering hatte den Schweizer Regisseur gebeten, sich zum Festspieljubiläum mit dem Dramatiker Hugo von Hofmannsthal auseinanderzusetzen. Einen Stoff von Hofmannsthal, Richard Strauss Ariadne auf Naxos, hat Wieler bei den Festspielen schon in Szene gesetzt. Aber das ist sehr lange her. 2002 wurde diese Produktion von Kritikern der Opernwelt zur Aufführung des Jahres gekürt.
Warum ist es jetzt ausgerechnet Das Bergwerk zu Falun geworden? Hofmannsthal hat das selten aufgeführte Stück als 25jähriger knapp vor der Jahrhundertwende geschrieben, es wurde erst lange nach seinem Tod veröffentlicht. „Ein sperriges Werk“, bestätigt Jossi Wieler. Hofmannsthal hat den Stoff seinerseits einer Erzählung von E. T. A. Hoffmann aus dem Jahr 1819 entlehnt.
Der Seefahrer Elis – Marcel Kohler wird ihn spielen – verdingt sich als Bergmann und kommt in Berührung mit einem Untoten – dem alten Torbern, der ihn ins unterirdische Reich der Bergkönigin lockt. Aus der Hochzeit mit Anna, der Tochter des Bergwerksbesitzers, wird nichts: Elis folgt dem Ruf der Bergkönigin. Nach fünfzig Jahren wird sein Leichnam unversehrt geborgen und von seiner alten Braut wiedererkannt.
Das Stück stelle sehr aktuelle Fragen saht Wieler. Etwa nach der Zeit: „Vergänglichkeit, Ewigkeit, Endlichkeit – was heißt das im Leben?“ Man könne die Zeit nicht greifen, das mache den Begriff so interessant.
Vom Genre her sei das Werk auch ein Märchen, das auf poetische Weise umgesetzt wurde.
„Hugo von Hofmannsthal war selbst auf der Suche während er Das Bergwerk von Falun schrieb“, erklärt Jossi Wieler. In dem jungen Elis erkannte Hofmannsthal (wie Georg Lukács es formulierte) „die transzendentale Obdachlosigkeit“ des modernen Menschen nach Nietzsche und wusste durch Freud um die seelische Haltlosigkeit desselben.
Die mythische Figur des alten Thorben spreche ihn sehr an, verrät Jossi Wieler. „Eine wunderbare Märchenfigur, gleichzeitig absurd, fast wie eine Figur von Beckett.“ Die wird mit André Jung also wohl gut besetzt sein. Seit zweihundert Jahren möchte Thorben sterben, er empfindet Schuld, weil er der Bergkönigin verfallen war und sich von seiner Familie abgewendet hatte. Er sucht einen Nachfolger, um endlich sterben zu können. „Doch am Ende fällt es ihm nicht leicht abzutreten“, so der Regisseur. Er sei eine Sisyphos-Figur, die sowohl die menschliche Welt gut kenne als auch die helle und zugleich düstere Bergwelt.
Aus zwanzig Rollen der Vorlage hat Jossi Wieler einen Theaterabend mit sechs Schauspielerinnen und Schauspielern destilliert, die drei Generationen umfassen. „Das ist wichtig für das Stück.“ Die Struktur des Werkes sei eher merkwürdig: ein Fünfakter, bei dem der dritte Akt wiederum in drei Teile unterteilt ist und der erste Akt ein Drittel des Umfangs einnimmt.
Die Sprache sei oft archaisch. „Ich fand es spannend, dort aus unserer Zeit heraus hineinzuhören.“ Die Fragen freilich seien moderne Sinnfragen. „Wir wollen natürlich heutzutage immer gerne ganz klare Antworten haben. Aber im Leben und auch in der Kunst gibt es oft nicht nur eine Antwort.“ (PSF, Anne Zeuner / dpk-krie)