War Max Frisch ein Schwein?
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23/08/18 War Max Frisch ein Schwein? In den Briefen, die Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze einander schrieben, wird er so genannt – zu Beginn der sechziger Jahre, als Frisch die Dichterin einer um 21 Jahre jüngeren Studentin willen verlassen hatte. Die Bachmann geriet in eine existenzielle Lebenskrise, unternahm einen Selbstmordversuch, suchte Trost bei Hans Werner Henze.
Von Werner Thuswaldner
Welche Art Faszination der Schweizer Schriftsteller, der durch dicke Brillengläser in die Welt schaute und auf Fotos kaum einmal ohne eine stinkende Pfeife im Mund zu sehen ist, auf Frauen ausgeübt hat, ist schwer zu fassen. In der dramatischen Zeit der Trennung von Max Frisch jedenfalls verlangte und bekam Ingeborg Bachmann Trost von Hans Werner Henze.
Die Dichterin und den Komponisten verband seit 1952 bis zu Bachmanns Tod im Jahr 1973 eine seltsame, innige Beziehung. Ihr ist ein denkwürdiger Briefwechsel zu verdanken (herausgegeben von Hannes Höller im Piper Verlag), der mit seiner literarischen Ausdruckskraft und seinen Aussagen über die Bedeutung einer künstlerischen Existenz in der deutschsprachigen Literatur kaum seinesgleichen hat. Ja, sie ist die Dichterin. Aber er erweist sich als ein Dichter auf Augenhöhe.
Entstanden ist der Briefwechsel, weil die beiden fast dauernd an verschiedenen Orten lebten. Henze, der homosexuell war, strebte eine enge Verbindung an, sprach von Verlobung, sogar von Hochzeit. In Neapel gab es eine eigene Wohnung. Immerhin kam es zu einer künstlerischen Zusammenarbeit. Ingeborg Bachmann schrieb Libretti. Er nannte sie in den Briefen „Schwester“ und schlug nicht selten einen verspielt-poetischen Ton an. Der Plan zu einer gemeinsamen Lebensplanung blieb eine Wunschvorstellung.
Sehr bemerkenswert ist der dringende Ratschlag, den Henze seiner Freundin nach ihrer Verbindung mit Frisch gibt: Sie müsse sich an die Kunst halten, die Kunst, das sei ihre absolute Pflicht.“
Vor fünfzig Jahren ist Henzes Oper „Die Basserieden“ in Salzburg uraufgeführt worden und diesen Sommer steht sie wieder auf dem Programm. Dies war der Anlass für eine Lesung aus dem genannten Briefwechsel am Mittwoch (22.8.) im Landestheater. Ausgwählt und eingreichtet wurden die Briefstellen von Schauspielchefin Bettina Hering. Edith Clever und Martin Wuttke erwiesen sich als ideale Interpreten dieser Texte, die höchste Sensibilität verlangen. Dieser Henze ist voller Liebenswürdigkeit, aber gelegentlich auch von ein wenig schulmeisterlicher Strenge. Und die Bachmann bedarf – übrigens ohne Larmoyanz - andauernd der psychischen Stütze. Heiterkeit gehörte ebenso zu dieser Lesung wie ein Element lähmender Tragik angesichts unauflöslicher schicksalhafter Verstrickungen.
Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli