Verstehen Sie Salzburg
HINTERGRUND / DOMQUARTIER
30/04/14 „Die Kirchen und die Residenz stehen im Zentrum. Das Rathaus ist an den Rand gedrängt - hinaus bis ans Flussufer. Salzburg ist in seiner Anlage keine Bürgerstadt, sondern eine Kirchenstadt. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, das nie recht vermittelt wurde. Dies bewusst zu machen, ist der Sinn des Museumsleitplanes.“ Der Kunsthistoriker Dieter Bogner hat das Konzept „DomQuartier“ entwickelt.
Von Heidemarie Klabacher
„Erzdiözese Salzburg, Stift St. Peter, Land Salzburg realisieren ein gemeinsames Projekt: Das ist in 1300 Jahren einmalig. Alle Beteiligten sind über viele Schwellen gesprungen!“ Am 17. Mai werden mit der Eröffnung des DomQuartiers auch Türen und Tore geöffnet, die Jahrhunderte lang fest verschlossen waren.
Der Kunsthistoriker Dieter Bogner hat das Konzept „DomQuartier“ entwickelt. Der Rundgang sei Teil einer Trilogie, erinnert Dieter Bogner im Gespräch mit DrehPunktKultur an den „Museumsleitplan“. Auf der Festung soll – „Traum in der Zukunft“ – die Geschichte Salzburgs bis ins hohe Mittelalter nachvollziehbar gemacht werden: „Das ist das Kapitel ‚Aufstieg zur Macht’.“ Das zweite Kapitel „Himmel und Erde in einer Hand“ wird dieser Tage gerade fertig geschrieben, das Domquartier am 17. Mai eröffnet. Das dritte Kapitel „Mythos Salzburg“ widme sich im Salzburg Museum der Vermarktung des Mythos Salzburg im 19. und im 20. Jahrhundert. „Wer alle Teile der Trilogie besucht, kriegt einen guten Einblick. Und wenn man nach Hallein fährt, bekommt man auch noch die Vorgeschichte dazu.“
Ziel der groß angelegten Offensive sei es, so Dieter Bogner, „neben der Musikstadt Salzburg die Museumsstadt Salzburg“ stärker in den Blick zu rücken. „Salzburg ist nicht nur etwas, wo ich durchwandere, Kaffee trinke und Souvenirs kaufe.“
„DomQuartier“ also. Ein vielleicht etwas zeitgeistiger, aber wohl überlegter Name: „Kein Herrschaftsbereich, sondern Gegenwart: etwas, das man heute besucht.“ Das baulich in sich geschlossene Ensemble Residenz-Dom-St.Peter-Wallistrakt-Franziskanerkirche ist ein archtektonisches Juwel über Jahrhunderte und Stilepochen hinweg entstanden und weltweit einzigartig. „Das DomQuartier, dieser Rundgang um den weltweit bekannten Domplatz mit dem unbekannten Inneren ist ein völlig neues Produkt“, betont Dieter Bogner: „Es besteht aus bekannten und unbekannten Teilen, aber die Größenordung hat Europäische Dimension.“
Die einzelnen Einheiten – besonders Residenzgalerie oder Dommuseum – hätten mit ihren Ausstellungen, Sonderausstellungen und Vermittlungsprogrammen „schon vorher“ gute Arbeit geleistet, betont der international gefragte Museumsplaner. „Europäische Dimension“ erhalte das bisher vorhandene aber erst zusammen mit den neuen Einheiten – etwa dem „Langen Gang“ oder dem völlig neuen Museum des Stiftes St. Peter, „das zum ersten Mal auf Dauer mit seinen Schätzen in die Öffentlichkeit geht“: „Damit ist die Salzburger Museumsszene international zu positionieren.“
Der Audio-Guide zum Rundgang erzähle die Geschichte(n) der ehemaligen Geistlichen und Weltlichen Herrscher Salzburgs: „Wer waren die Fürsterzbischöfe überhaupt?“ Es gebe in Salzburg keine Auseinandersetzung mit diesen Persönlichkeiten, meint Dieter Bogner. „Im Salzburg Museum sind sie als Bauerherren bekannt. Im DomQuartier geht es mehr um das Historische.“
Charakteristikum des „neuen Produktes“ DomQuartier sei die Vielfalt an Räumen: „Wir haben Prunkräume, Gänge, Türme, Einblicke und Ausblicke“, schwärmt Bogner. „Allein der Blick von der Terrasse ist ein Highlight. Man kommt aus der Residenzgalerie, blickt vom Dombogen hinunter auf Residenzplatz und Domplatz und hinauf auf die Festung – und dann taucht man in den Turm ein…“ Sollte es einmal regen, was vorkommen kann, und die Terrasse geschlossen sein, führt der Weg einen Stock tiefer von den Prunkräumen der Residenz aus durch den ebenso mächtigen wie eleganten Gang hinüber in den Domturm.
Dort erwarte die Besucher dann Exquisites: Im barocken Nord-Oratorium („Oratorium“ nennt man die Räume über dem Seitenschiff) sind die barocken Skizzen der „Sammlung Rossacher“, des vormaligen Barockmuseums untergebracht. „Das ist einer der schönsten Barockräume der Stadt. Auch Menschen, die die Sammlung gut kennen, werden sie in dieser Umgebung kaum wieder erkennen.“
Ist es nicht auch ein wenig schade um das Barockmuseum im Mirabellgarten, welches inzwischen zum Salzburg Museum gehört? „Das Gärtnerhäuschen hat keine barocke Ausstrahlung. Man hätte dort auch was Spannendes machen können. Aber das hätte nur mit einem großem Ausbau funktioniert.“ Die einzigartige Sammlung Rossacher hätte wohl auch woanders untergebracht werden können, so Dieter Bogner. „Jetzt ist sie ein Highlight für das DomQuartier.“ Jedenfalls könne man für die Sammlung Rossacher im Kontext DomQuartier mehr Besucher erwarten, „als am Spezialstandort“.
Mehr Besucher - das prognostiziert Dieter Bogner auch für Residenzgalerie, Prunkräume oder Dommuseum. Die einzelnen Institutionen würden keinesfalls im DomQuartier aufgehen und ihre Identität verlieren, betont Bogner. Er habe auch das MuseumsQuartier in Wien entwickelt und die Strategie festgelegt: „Jede Institution ist selbständig. Es gibt wohl jemanden, der die Häuser verwaltet und den öffentlichen Raum. Aber die Institutionen bleiben eigenständig. Das hat sich etabliert.“ In Salzburg gehe es nun darum, „dass die Beteiligten gemeinsam dieses DomQuartier pflegen und wachsen lassen“. Von politischer Seite – sprich: Wilfried Haslauer – habe nie die Absicht bestanden, alles unter einen Hut zu bringen. Rechtlich wäre dies ohnehin nicht möglich. Ein Vorschlag Dieter Bogners: „Die Museen machen ihr Programm. Aber alle zwei Jahre gibt es eine Gemeinschaftsausstellung.“ Darüber werde derzeit diskutiert.
Wird man an der „Kunst“ in den einzelnen Museen nicht ohnehin eher rasch vorbeigehen und vor allem die sensationellen Aus- und Einblicke im Gesamtrundgang genießen? Vielleicht. „Aber das führt hoffentlich dazu, dass die Leute sagen: ‚Das nächst mal muss ich auf die Details schauen’.“ Man müsse, so der Experte, Museen heutzutage so planen, dass sie die Menschen motivieren, immer wiederzukommen. „Wir können nicht nur mit Sonderausstellungen reizen. Das ist auf die Dauer zu teuer. Das Produkt selber muss dazu verlocken, dass man wieder kommt.“
Die Residenzgalerie, erinnert Dieter Bogner, zeige Werke aus ihrer Sammlung in immer neuen Zusammenstellungen und unter neuen Gesichtspunkten. „Wenn die einzelnen Institutionen im Hinterkopf mit bedenken, was die jeweils anderen zeigen, wird sich immer wieder Neues und neu Verbindendes ergeben. Das ist das Wesen des Museums: Ich kann jedes Jahr hingehen, weil es jedes Jahr etwas Neues geben wird.“