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Gevatter Tod schwang auch im Hinterland die Sense

SALZBURG MUSEUM / KRIEG, TRAUMA, KUNST

08/05/14 Im „Trauma-Raum“ liegen die Dinge einigermaßen klar: Georg Trakl zum Beispiel, der mit größter Begeisterung als Sanitäter in den Ersten Weltkrieg gezogen war, hatte seine Lektion gelernt. Das Gedicht „Grodek“ ist Zeugnis des Sinneswandels, der späten Erkenntnis.

Von Reinhard Kriechbaum

„Krieg. Trauma. Kunst. Salzburg im Ersten Weltkrieg“: Die große Schau, für die man die „Ars Sacra“ aus dem ersten Stockwerk des Salzburg Museums geräumt hat, erzählt in den nächsten anderthalb Jahren von unerwarteten Kriegsfolgen auch im Binnenland, von der „Heimatfront“ also, vom schleichenden Sinneswandel und dergleichen. Es war ja nicht so, dass man fernab der Front wenig mitbekommen hätte vom Krieg. Der ging gleich wenig erfreulich los: Man machte mobil, benötigte die Eisenbahnwaggons flächendeckend für Soldatentransporte – und prompt wurde, auch in Salzburg, das Essen rar.

Die Lage hat sich logischer Weise im Lauf der Jahre zugespitzt, und so gab es in vielen Häusern eine „Kochkiste“: Die Lebensmittel wurden „angekocht“ und kamen dann zum Nachgaren in eine zwecks Isolierung mit Sägescharten gefüllte Holzkiste. So also kochten die „Soldatinnen der Heimatfront“, wie es auf einer Schautafel zum Thema Frauen im Kriegs-Hinterland heißt, energiebewusst und ressourcenschonend. Natürlich waren auch Hunderte Frauen aus dem Bundesland als Armeehilfskräfte mit an der Front. Aber auch in Salzburg selbst hatten sie mehr als genug zu tun – nicht nur, weil die Männer eben daheim fehlten. In St. Peter zum Beispiel gab es ein Lazarett, die Krankenschwestern sieht man auf einigen Fotos.

Gar nicht begeistert waren die Salzburger – vor allem die Bauern – über den Kriegsbeginn (28. Juli 1914). Er fiel schließlich schon in die Erntezeit. Allergrößte Einigkeit herrschte übrigens nach dem Krieg hierzulande, dass mit dem verbliebenen Rumpfstaat Österreich nicht viel anzufangen sei. 1921 zettelte man eine Volksabstimmung an, und die ging mit 99 Prozent der Stimmen für einen Anschluss an Deutschland aus. Aus staatsrechtlichen Gründen hatte das damals (noch) keine Folgen, aber es spiegelt die Geisteshaltung.

Für die umfassende Schau hat das Salzburg Museum seine Depots geplündert: die Kunstsammlungen ebenso wie jene zur Alltagskultur, die Dokumentendepots natürlich und vor allem die Fotosammlung. Jeder Raum hält Aussagekräftiges bereit. Klar, dass eine solche Geschichtsausstellung auch zum Lesen auffordert, Tafeltexte ebenso wie viel „Kleingedrucktes“. Für die Beschriftungen hat man Karteikarten gewählt. Aber es ist der Kuratorin Susanne Rolinek doch eine Art der Aufbereitung gelungen, die das Haptische anspricht und assoziative Schau-Eindrücke weckt. Zeit muss man sich jedenfalls nehmen.

Erstaunlich viele Kriegs-Kommentare haben sich in der regionalen bildenden Kunst gefunden. Da wäre etwa Karl Reisenbichler zu nennen: Auf einem Blatt hat er dem knöchernen Sensenmann einen Soldatenhelm aufgesetzt. Höchst expressiv ist „Der Tod als Panzerfahrer“. Und vollends unter die Haut geht jener Tod von Hieronymus Bosch’scher Missgestalt, der auf einem saurierartigen Reittier über ein putziges Bauerndorf mit schmucker Barockkirche fegt. Dieses Bild hängt im erwähnten „Trauma-Raum“, wo Prothesen und Fotos von Kriegsversehrten ein anschauliches Bild vermitteln, was man nach Kriegsende zu sehen bekam.

Das widerspricht stark dem anfänglichen Kriegskult, dem Versuch der Propaganda, positive Stimmung zu erzeugen. Im Volksgarten hat man damals einen Schau-Schützengraben ausgehoben, um den Daheimgebliebenen das Geschehen zu verdeutlichen – sehr beschönigend, versteht sich. Kinderspiele mit Kriegsmotiven wurden herausgegeben, und auf einem Bilderbogen wird die europäische Lage zu Kriegsbeginn anschaulich gezeichnet und getextet: „Der Russe fliegt / nach kurzer Frist / woher er einst gekommen ist“, heißt es da.

Übrigens war es nicht nur schlecht, als Soldat den Russen in die Hände zu fallen. Das Kriegsgefangenenlager in und um Grödig war das größte der Monarchie, hatte bis zu 40.000 Insaßen, und es die Fotos von Gehenkten illustrieren, dass nicht viel Federölesens gemacht wurde mit dem Feind, auch nicht in Österreich. Das Totenbuch des Lagers ist ausgestellt.

Von den 5½ Prozent Zinsen, die ein Plakat mit wackerem Rittermotiv auf eine Kriegsanleihe verspricht, haben die gutgläubigen Käufer wohl nichts mehr gesehen. Anstatt erwarteter Profite gab es bald extreme Mangelwirtschaft. Was heißt „Scharpiezupfen“? Da zog man aus nicht mehr gebrauchten Leinenresten und aus abgelegtem Gewand Fäden. Die Stoffasern dienten dazu, Verbandsmull herzustellen.

In einer so großen Schau, die ein Thema allumgreifend fassen will, kann dann freilich manches nur Rudiment bleiben. Die Kirche war anfangs, in Nibelungentreue zu den Habsburgern, kriegsbegeistert wie nur. Ihre Rolle bleibt trotz vieler Fotos eher unklar: „Mit längerer Kriegsdauer und zunehmender Zahl von Toten und Verwundeten standen auch die Kirchen dem Krieg immer kritischer gegenüber“, heißt es ziemlich lapidar auf einer der Texttafeln. So genau hat man das vor Ausstellungseintritt auch schon gewusst.

Da darf man auf das wissenschaftliche Buch zur Ausstellung hoffen, das Oskar Dohle als Herausgeber bereits fertig gestellt hat und das dieser Tage in Druck ging: Es wird aber erst am 25. Juni, wenige Tage vor dem 100-Jahre-Gendenktag des Kriegsbeginns, präsentiert.

Weil die Ausstellung anderthalb Jahre dauert, stehen die Museumspädagoginnen schon Gewehr bei Fuß: In drei Semestern sollte es gelingen, ganz viele Salzburger Schulkinder fürs Thema zu interessieren. Beim Literaturfest wird es einen einschlägigen Programmpunkt geben, wie überhaupt man auf Zusammenarbeit und Synergien allergrößten Wert legte: So konnte Peter Husty, Chefkurator des Salzburg Museums, bei der Pressepräsentation der Schau heute Donnerstag (8.5.) davon berichten, dass auch fünfzehn Regionalmuseen das Thema Erster Weltkrieg aufgegriffen haben. Ein Folder informiert darüber. Sogar das Schimuseum Werfenweng ist dabei: Schi wurden in diesen Jahren nicht für Touristen produziert, sondern für die Soldaten an der gebirgigen Italien-Front.

Und a propos Touristen: Als das Essen knapp wurde, begegnete man ihnen misstrauisch. Davon zeugt eine „Kundmachung zum Schutze der einheimischen Bevölkerung in Sommerfrischen“. Der Feind habe es auf die Vorräte abgesehen, hieß es da sinngemäß. Wehe also, wenn ein Bauer Fremde unter der Hand verköstigte…

„Krieg. Trauma. Kunst. Salzburg im Ersten Weltkrieg“. Bis 27. September 2015 im Salzburg Museum – http://www.salzburgmuseum.at/1112.html
Bilder: Salzburg Museum

 

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