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„Jeanne d’Arc der Neuen Musik“

MdM MÖNCHSBERG / CHARLOTTE MOORMAN

09/03/17 So bezeichnete der amerikanische Komponist Edgar Varèse seine Landsmännin Charlotte Moorman (1933-1991). Aber sie war viel mehr, eine leidenschaftliche Kunst-Zusammenführerin und Vermittlerin von Avantgardekunst. „Wenn Frauen von Männern nackt gemalt werden, ist das OK. Wenn Frauen sich selber nackt machen, werden sie dafür verurteilt.“

Von Heidemarie Klabacher

Wehe, wenn Frauen anfangen, ihren Körper selbst zum Gegenstand ihrer Kunst zu machten, womöglich ihren unbekleideten Körper! Charlotte Moorman, Cellistin und Performancekünstlerin der Sechzigerjahre, ist für diese ihre Freiheit der Kunst bis vor die Schranken des Gerichts gezerrt worden. Die wortreiche Begründung des Urteils wegen „unsittlicher Entblößung“, veröffentlich am 11. Mai 1967, ist ein recht graues und dennoch recht erhellendes Exponat in der Ausstellung „Ein Fest des Staunens. Charlotte Moorman und die Avantgarde, 1960–1980“.

Das Museum der Moderne auf dem Mönchsberg ist die einzige Station der Ausstellung in Europa. Die Schau ist von der New York Times zu den besten Ausstellungen des Jahres 2016 gelistet worden. Das künstlerische Schaffen der US-amerikanischen Musikerin und Performance-Künstlerin Charlotte Moorman und ihre Rolle als Vermittlerin von Avantgardekunst werden in dieser Ausstellung erstmals umfassend gewürdigt.

Da hat die gar nicht immer klassisch auftretende Cellisten als eine der ersten ihrer Zunft, im feierlichen Ritual des klassischen Konzert Geigen zertrümmert, ist mit blinkendem „ Electric Bra“ aufgetreten oder mitsamt ihrem Cello in die Luft gegangen.

Werke ganz unterschiedlichen Medien sind da beisammen: Musik, Film, Performancekunst, Audio- und Videoinstallation, Fotografie, Literatur, außerdem Materialien aus dem Archiv der 1991 in New York City verstorbenen Künstlerin. Nach einer klassischen Ausbildung als Cellistin an der Juilliard School in New York wandte sich die Künstlerin früh der experimentellen Musik zu. Sie organisierte Konzerte für zeitgenössische Musiker wie Joseph Byrd, La Monte Young, Toshi Ichiyanagi und Yoko Ono. Ihre Beteiligung an radikal neuen Formen der Kunst beschränkte sich bald nicht auf die Musik. Sie schloss Kontakte mit Allan Kaprow, Otto Piene, Carolee Schneemann, Yvonne Rainer und Joseph Beuys.

Ausgehend von ihrer intensiven Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik, Kunst, Literatur, Tanz und innovativen genreübergreifenden Ausdrucksformen engagierte sie sich dafür, solche Kunstformen einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Zwischen 1963 und 1980 organisierte sie fünfzehn Mal das Annual New York Avant Garde Festival. Da kam die Avantgarde-Welt von damals an öffentlichen Orten New Yorks zusammen: etwa 1966 im Central Park, im Jahr darauf in der Staten Island Ferry (1967), auch im Grand Central Terminal (1973).

Auch in Europa machte sie mit Musik-Performances auf sich asufmerksam: 1965 beim 24-Stunden-Happening in Wuppertal, 1973 in der Bochumer Kunstwoche und 1982 beim Ars Electronica Festival in Linz. „Moorman spielte nicht nur eine herausragende Rolle in der New Yorker Avantgarde der 1960er und 1970er Jahre, sie knüpfte auch Verbindungen zwischen der US-amerikanischen und europäischen Szene. Die Dokumentationen ihrer Performances in Linz und Wuppertal sind ein Stück österreichischer und deutscher Fernsehgeschichte“, erklärt MdM-Direktorin Sabine Breitwieser, am Museum der Moderne Salzburg.

Splitternackt saß sie am Cello, als sie 1967 die Opera Sextronique von Nam June Paik aufführte: in New York damals Grund zur Verhaftung und Anklage wegen unsittlichen Verhaltens. Aus ihrer Zusammenarbeit mit Nam June Paik sind weitere Werke eng mit ihren Namen verbunden, da sie exklusiv für sie geschaffen, von ihr getragen bzw. gespielt wurden: das berühmte TV Cello (1971/1973) ist in der Ausstellung zu sehen.

Einige Performances, die rund um die Welt aufgeführt wurden und als ikonische Bilder zirkulieren, werden anhand von unterschiedlichen Materialien vermittelt: so etwa ihre Aufführung von Jim McWilliams Sky Kiss – Moorman spielt an Heliumballons in der Luft hängend das Cello – und 26' 1.1499'' for a String Player von John Cage – Moorman streicht unter anderem mit dem Bogen über eine auf einem nackten Männerrücken gespannte Cellosaite und erweitert ihr Instrumentarium um eine Reihe von Gegenständen, von einer Badeente bis hin zu einer zu einem Cello umfunktionierten Bombe.

Charlotte Moorman war eine begeisterte Archivarin. Die Ausstellung schöpft aus reichen Materialien, die einen Einblick in Moormans persönliches Leben bieten, ihre Verbindungen zu anderen Künstler_innen der Zeit aufzeigen und ihre unermüdlichen Anstrengungen zur Vermittlung der Avantgarde sichtbar machen. Teile des Archivs von Moorman, das sich an der Northwestern University in Chicago befindet, werden in dieser Ausstellung zum ersten Mal gezeigt.

Ein Fest der Staunens. Charlotte Moorman und die Avantgarde, 1960–1980. Bis 18. Juni im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg – www.museumdermoderne.at
Bilder: MdM / Curtesy of Kaldor Public Arts Projects (1);Barbara Moore/Licensed by VAGA (1); Hartmut Beifuß (1); Takahiko Iimura (1)
Zum Bericht über die Performance am Weltfrauentag
Frauen in der Kunst sichtbar machen

 

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