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Der Primus unter den Pares

SEEKIRCHEN / EIN BERICHT FÜR EINE AKADEMIE

12/05/16 Er verfüge über die „Durchschnittbildung eines Europäers“, sagt Rotpeter selbstbewusst. In Wirklichkeit hat der Affe, den Franz Kafka seinen „Bericht für eine Akademie“ vortragen lässt, deutlich mehr davon: Im Gegensatz zum Durchschnittseuropäer hat er ja immer intensiv darüber nachdenken müssen, was das Menschsein ausmacht.

Von Reinhard Kriechbaum

Georg Clementi hat es formvollendet drauf, das Menschsein. Aber weil Rotpeter sich ja doch immer wieder in Rage redet, bricht das Äffische öfters mal ganz vehement durch. Einmal, gerade wenn er von dem Schuss in die Wange berichtet, der ihm den Spitznamen Rotpeter eingebracht hat, kreischt er geradezu hysterisch, kriegt sich aber wieder, verwandelt die Mischung aus Zorn und Verzweiflungslauten erst in ein melodiöses Jaulen und dieses wieder in ein Singen. Er stimmt – als einzigen Text-Fremdeinschub in dieser Aufführung – das Eröffnungslied der Deutschen Messe von Schubert an: „Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken?“

Das trifft sich gut mit der Initiative, die am Mittwoch (11.5.) bei der Premiere im Emailwerk Kunstbox Seekirchen für die Rechte von Menschenaffen warb, dem „Great Ape Project“. Primaten sind schließlich auch nur Menschen, vielleicht – wenn man Kafka so recht ernst nimmt – sogar die Primi unter den Pares.

Seit urdenklichen Zeiten also gab es wieder einmal die Land-Premiere einer Landestheater-Produktion, die im nächsten Herbst natürlich auch nach Salzburg, in die Kammerspiele kommt.

Georg Clementi wird elektronisch gedoubelt, eine Videokamera begleitet ihn, projiziert ihn in Großfomat. Die Bilder setzen sich manchmal weit nach hinten fort, aber die ganze Affenbande brüllt nicht, denn in Wirklichkeit ist Georg Clementi in der Regie Carl Philip von Maldeghems ein Grandseigneur von Scheitel bis zur Sohle. Einer von der Affenartrt, die nachzuäffen jedem Menschen wohl anstünde. Das Ironische, die scharfe Klinge dieser Satire auf die jüdsiche Assimilation (so interpretierte nicht nur Max Brod den Text) kommen gut heraus. Der Seelenstriptease dieser Kreatur vor der Akademie – Clementi/Maldeghem nehmen das absolut beim Wort – offenbart ja einen brillanten Denker, einen Analytiker des Möglichen, der jeweils pragmatisch das für ihn Vorteilhafteste aus dem jeweils Möglichen herausgeholt hat.

Wie gut er das Händeschütteln („als Erstes“) gelernt hat, zeigt er gleich vor, indem er sich Richtung Publikum aufmacht. Wer dächte da nicht unwillkürlich an jene Menschen, die es derzeit zu integrieren gäbe und die genau mit dieser Geste ihre Schwierigkeiten haben?

Weitere Aufführungen am 12. und 21. Mai, Emailwerk Kunstbox Seekirchen – www.kunstbox.at
Ab 28. September in den Kammerspielen des Landestheaters – www.salzburger-landestheater.at
Bild: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger

 

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