Der notwendige Schlagabtausch
LANDESTHEATER / DAS HERZ EINES BOXERS
02/10/14 Wie ist das mit dem alten, schweigsamen Mann im Rollstuhl? Mit Lutz Hübners „Das Herz eines Boxers“ geht das Landestheater in den Kammerspielen in die Jugend-Reihe „Neues Land“.
Von Ulrike Guggenberger
Gattungsbegriffe wie „Das Theater als moralische Anstalt“, „Lustspiel“, „Volksstück“, „Einakter“ schwirren im Kopf herum. Nehmen wir zunächst das Volksstück. Ja, dieser Begriff trifft zu. Im Stück „Das Herz des Boxers“ bestreiten zwei, für unsere Zeit geradezu klassische Typen, den Abend. Der nach außen hin wahrnehmbar dahindämmernde Greis, hilflos gefangen in seinem Rollstuhl im Seniorenwohnheim. Sein Gegenspieler ist der rotzfreche, pöbelnde, unter gerichtlicher Beobachtung stehende Bursche aus dem Gang-Milieu: „Seh’ ich aus, wie einer, der ein Herz für Senioren hat?“
Beide erfüllen ihr Klischee ganz und gar. Sowohl als Schauspieler, wie auch in ihrer vom Autor zugedachten Rolle. Typisch für das Volksstück auch spitze Verweise auf aktuelle Trends. Der Autor Lutz Hübner wird hier ergänzt um die Aktualitäten Conchita Wurst und das unvermeidliche Selfie.Regie führte Cornelius Gohlke.
Ein Lustspiel? Ja, unbedingt. Von Herzen kommendes, zustimmendes Lachen über pralle, sich quasi unbeabsichtigt aus der Situation ergebende Komik einzelner Szenen und trocken-akkurat auf den Punkt gebrachte logische Schlussfolgerungen.
Unbestritten ist auch die Bezeichnung Einakter. Wir finden uns während der Dauer des Spiels stets im selben Zimmer. Kein Wechsel der Requisiten, der Kostüme, noch des Themas. Straff, ohne Umwege geht es um die Begegnung zweier Männer, jeder an einem anderen Punkt seines Daseins.
Nun zum Theater bzw. Schaubühne als moralische Anstalt. Auch dieser Tatbestand ist gegeben. Friedrich Schiller schreibt dazu 1874 (hier gekürzt): „Der sittliche Einfluss der Bühne erzieht und belehrt den Menschen durch die Vorführung der mannigfaltigen menschlichen Tugenden, Torheiten, Leiden und Laster“. Diese „Belehrung“ ist im Schauspiel „Das Herz des Boxers“ absolut aufgegangen. Auf liebenswürdige Weise, mit wenigen Mitteln, großem schauspielerischen Talent der beiden Helden Werner Friedl und Tim Oberliessen. Der straffällige Jugendliche Jojo und der alte Boxer Leo begegnen einander zwangsweise, trennen sich schließlich aber mit großem Bedauern und offenem Ausgang der Geschichte voneinander. Man geht „ ... mit einem herrlichen Zuwachs an Mut und Erfahrung“, wie Schiller noch hinzufügt, aus dem Haus.
Aufführungen bis 19.12. in den Kammerspielen des Landestheaters – www.salzburger-landestheater.at