Sehr laute Hirten
RESIDENZ / IL RE PASTORE
24/04/25 Auf den Tag genau 250 Jahre nach der Uraufführung gab es am Mittwoch (23.4.) am Ort derselben, im Rittersaal der Residenz, eine semikonzertante Aufführung von Wolfgang Amadé Mozarts Serenata in zwei Akten Il re pastore, eine Koproduktion von Stiftung Mozarteum und DomQuartier. Musikalisch war das doch eine feine Sache, auch wenn dem Rezensenten heute noch ein wenig die Ohren schmerzen.
Von Gottfried Franz Kasparek
Anno 1775 war die fürsterzbischöfliche Hofkapelle auf ihren alten Instrumenten sicher leiser. Diesmal spielte die Camerata Salzburg unter der beherzten Leitung von Konzertmeister Giovanni Guzzo voller Saft und Kraft, sodass einem schon die Ouvertüre lautstark durch die Gehörgänge knallte. Angeblich agierte man ohnehin so zurückhaltend wie möglich und es gab zwischen dem Lärm viele schön musizierte Stellen, aber der an sich atmosphärische Saal ist überakustisch und sorgte für Übersteuerungs-Effekte, vor allem im ersten Teil mit seinen doch recht dramatischen Arien.
Arie folgt auf Arie und erst am Ende des ersten Aktes gibt es ein Duett, im zweiten dann ein Finalensemble. So war das eben in der Seria-Oper, die Mozart wenig später radikal modernisiert hat. Die Geschichte vom Hirtenkönig, der sich als legitimer Herrscher von Sidon entpuppt und vom letztlich großmütigen Alexander dem Großen, der die beiden Liebespaare im Finale vereint, erspart sich den Deus ex machina, denn es ist ja eine „Serenata“, also ein Mittelding zwischen weltlichem Oratorium und Musiktheater zur abendlichen Unterhaltung. Ein Gelegenheitswerk ist dies, schnell komponiert für eine Visite des Habsburger-Erzherzogs Maximilian Franz in Salzburg, zwischen der am Weg in die damalige Moderne schon weiter gehenden Finta giardiniera und dem bahnbrechenden Idomeneo.
Das Stück wäre nicht von Mozart, enthielte es nicht viel spannende und mitunter berührende Musik. Die langen Secco-Rezitative hat Spielleiter Rolando Villazón erfreulicher Weise etwas gestrafft. Am Cembalo wirkte Timothy Ribchester mit Gusto, er hätte aber nicht in fast jede weit atmende Phrase in den Arien hinein klimpern müssen. Mozart saß übrigens nicht am Tasteninstrument, sondern am Konzertmeisterpult. Für sich selber hat der Komponist das betörende Violinsolo der einzigen „Schlager-Arie“ des Stücks geschrieben, einen Dialog mit dem Soprankastraten in der Rolle des royalen Schäfers Aminta, L'amerò. Emily Pogorelc, begabt mit einer der erfrischendsten und schönsten Sopranstimmen unserer Zeit, hat das nun mit wundersam lyrischer Emphase gestaltet und dargestellt, hingebungsvoll begleitet von Giovanni Guzzo.
Überhaupt war die Besetzung rund um den etwas zu clownesken, mit Leidenschaft gestemmten, mitunter mit Erinnerungen an ein herrlich bronzenes Timbre rührenden Rolando Villazòn als Alessandro eine hochkarätige. Die Tenorarien des Machthabers sind interessante Vorstudien zu denen des Idomeneo. Dem frühen Belcanto-Stil entsprach freilich am ehesten der schlanke, stilkundige Tenor Zachary Wilder als Agenore. Seine Liebste, die Königstochter Tamiri, war bei Tamara Ivaniš und ihrem mild leuchtenden, technisch bestens geführten Sopran gut aufgehoben. Die aparte Serena Saénz mit sehr hellem, leicht metallisch fokussiertem, mit funkelnden Koloraturen prunkendem Sopran würde als Elisa zum Beispiel im Theater an der Wien sehr gut passen. Im Rittersaal wirkte sie einfach in den an sich strahlenden Höhen scheppernd laut – und sogar im Liebesduett mit der balsamischeren Emily Pogorelc erzeugten beide Stimmen eine gewisse Ohrenpein. Dafür konnten die Sängerinnen nichts, sie waren einfach falsch eingestellt im letztlich für Oper ungeeigneten Raum.
Es ist auch zu begrüßen, dass junge Leute Mozart mit Herzblut singen und nicht nur ätherisch säuseln. Aber das Historische um jeden Preis kann ein Missverständnis sein. Das in der Pause etwas konsternierte Publikum entschloss sich nach dem poesievollen zweiten Teil dann doch zum Jubeln.
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher