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Weitergereist: die Salzburger „Ariadne“

REST DER WELT / WIEN / ARIADNE AUF NAXOS

24/12/12 Sven-Eric Bechtolf hat seine „Ariadne auf Naxos“ aus dem letzten Festspielsommer repertoiretauglich in der Fassung von 1916 für das Haus am Ring adaptiert.

Von Oliver Schneider

Wenn sich der Vorhang zum Vorspiel im großbürgerlichen Haus des reichsten Mannes Wien öffnet, in dem ein junger Komponist der Uraufführung seiner tragischen Oper „Ariadne auf Naxos“ entgegenfiebert, blickt man durch die Glasfront des klassizistischen Palais in die sommerliche Allee. Gebannt ob des Reichtums betritt die Commedia dell’Arte-Truppe Zerbinettas das Palais, und ein überheblicher Haushofmeister (wieder unvergleichlich Peter Mati?) verkostet die Suppe aus der Silberschüssel – oder stillt frech seinen Hunger.

Unweigerlich denkt man zumindest während des Vorspiels an die festspielwürdige Wiederbelebung der Urfassung von Richard Strauss‘ und Hugo von Hofmannsthals‘„Ariadne auf Naxos“ zurück, die Sven-Eric Bechtolf geschickt um die Freundschaft von Hofmannsthal mit Ottonie von Degenfeld als umflechtendes Band ergänzt hat. Es bedarf aber keiner Diskussion, dass sich diese Kombination aus Oper, Schauspiel und Ballett im Repertoirealltag nicht realisieren ließe.

Man muss sich deshalb in Wien auf etwas anderes, Bekannteres einlassen. Geblieben sind die Szenerie und die klassisch-edlen Kostüme (Rolf und Marianne Glittenberg). Naturgemäß neu erarbeitet ist die Personenführung, was nicht nur wegen der unterschiedlichen Fassungen notwendig wurde, sondern auch aufgrund der komplett neuen Besetzung. Wie man es von ihm gewöhnt ist, bemüht sich Sven-Eric Bechtolf um eine klare Zeichnung der Personen und ihrer Beziehungen. Nah am Libretto darf man es wohl nennen. Nichts Aufregendes, dafür für jeden, der die Handlung kennt, klar und nachvollziehbar, ohne dass man viel Zeit auf die Lektüre von Interpretationshilfen im Programmbuch aufwenden müsste. Teilweise würde man Bechtolf allerdings Protagonisten wünschen, die über mehr schauspielerische Gaben verfügen. Das wird sich wohl erst mit den wechselnden Besetzungen im Repertoirebetrieb ergeben.

Umsichtig schält Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst am Pult des Staatsopernorchesters den Ausdrucksreichtum aus der Partitur heraus. Sein Dirigat überzeugt in den kammermusikalischen Momenten. Die Balance zwischen der Bühne und dem Graben tariert er vorbildlich aus, so dass die Sänger bis auf kurze Passagen am Schluss der Oper immer textverständlich bleiben. Eine wahre Freude. Auf der Strecke bleibt hingegen das jubelnde Aufblühen der Musik. Es fehlt an Klangemotionalität, weshalb das Ergebnis insgesamt trotz vieler berührender Momente stellenweise blutarm wirkt.

Immerhin brillieren in der besuchten zweiten Vorstellung die Musikerinnen und Musiker des Hausorchesters an allen Pulten. Hat man die Möglichkeit des Vergleichs innert weniger Wochen, so wurde einem wieder einmal bewusst, was für ein aussergewöhnliches Orchester hier fast täglich spielt.

Entsprechend dem Wunsch von Strauss, den Komponisten mit einem vollen, lyrischen Sopran zu besetzen, hat man sich in Wien für Christine Schäfer entschieden. Es ist immer wieder faszinierend, wie diese Sängerin mit gar nicht so großer Stimme einen Notentext durchdringt. Auch im akustisch schwierigen hinteren Teil des Parketts kann man mühelos dem Ausdruck von Verzweiflung wegen der gleichzeitigen Aufführung von Oper und Komödie sowie den aufkommenden Gefühle für die privat gar nicht so flatterhafte Zerbinetta folgen. Diese wird von Daniela Fally gegeben, deren Koloraturgewandtheit Vergleiche mit anderen Darstellerinnen und Vorgängerinnen nicht fürchten muss. Nur ihr Spiel wirkt (noch) zu hölzern und brav.

Rollendebütantin Krassimira Stoyanova liefert eine tiefschürfende Charakterstudie der hysterischen Primadonna und der todessüchtigen Ariadne und punktet mit ihrem in den schönsten Farben blühenden, vollen Sopran. Die Leistung ist besonders hoch zu schätzen, da die Stoyanova erstmalig in einer deutschsprachigen Partie auf der Bühne steht. Stephen Gould gibt den allürenhaften Tenor und den Gott Bacchus mit seinem bronze getönten Tenor, dem aber ein wenig die Strahlkraft fehlt.

Als Musiklehrer mit vorbildlichem Parlando zeigt sich Jochen Schmeckenbecher, Nobert Ernst ist der gezierte Tanzmeister. Stimmlich gewöhnungsbedürftig ist der Bassbariton Adam Plachetka als Harlekin. Die vielen kleineren Partien sind entsprechend dem Standard des Hauses gut besetzt. Insgesamt ist diese „Ariadne“ eine längst überfällige Ablösung der alten Sanjust-Inszenierung.

Weitere Vorstellungen am 26., 29. Dezember und 2. Jänner. – www.staatsoper.at
Bilder: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

 

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