Post von Thomas Bernhard
NATIONALBIBLIOTHEK / BRIEFSAMMLUNGEN ERSTEIGERT
10/05/19 „Aufgabeorte sind etwa Attnang, Gorizia, London, Lovran, Salzburg, St. Veit im Pongau und Wien: Alles Bernhard-Orte, die seine Reiselust und Umtriebigkeit spiegeln.“ Die Österreichische Nationalbibliothek hat jüngst insgesamt 570 Briefe von Thomas Bernhard, Alfred Polgar und Jakob Wassermann ersteigern können.
Bei der Autografen-Auktion von J. A. Stargardt in Berlin, einem der größten Auktionshäuser im deutschsprachigen Raum, wurden im März 2019 Korrespondenzstücke von drei großen österreichischen Schriftstellern versteigert. Der Kaufpreis betrug 48.240 Euro, die großteils noch unveröffentlichten Schreiben werden derzeit im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek erschlossen und stehen der Forschung spätestens im Dezember 2019 zur Verfügung, heißt es in einer Aussendung. „Die 570 Briefe von Thomas Bernhard, Alfred Polgar und Jakob Wassermann umfassenden Sammlungen „stellen einen wichtigen Beitrag zur österreichischen Kulturgeschichte wie zur politischen Geschichte im 20. Jahrhundert dar.“ Die Autografen ergänzen die umfangreichen Bestände des Literaturarchivs, zu dessen Kernaufgaben die Erwerbung und Erschließung von Vor- und Nachlässen österreichischer SchriftstellerInnen zähle, so die Nationalbibliothek.
Die Briefe an die mit Thomas Bernhard eng befreundete Kostüm- und Bühnenbildnerin Annemarie Hammerstein-Siller stammten größtenteils aus den frühen 1960er-Jahren. Aufgabeorte sind u. a. Attnang, Gorizia, London, Lovran, Salzburg, St. Veit im Pongau und Wien: „Alles Bernhard-Orte, die seine Reiselust und Umtriebigkeit spiegeln.“ Die bislang unpublizierten Briefe zeigten einen „trotz seiner geringen Bekanntheit von sich überzeugten Schriftsteller“: Thema sind die in einer Scheune am Tonhof in Maria Saal aufgeführten frühen Einakter Bernhards und die von Gerhard Lampersberg vertonte Kurzoper „Köpfe“. Bernhard berichtet seiner Freundin auch von der Arbeit an seinen ersten größeren Prosaarbeiten „Frost“ und „Amras“. Ebenfalls in den 1960er Jahren entstanden sind „sechs karikaturhafte Zeichnungen Bernhards“. „Die mit Filzstift auf farbigen Resopalplatten gezeichneten Bilder ergänzen diese bedeutende Sammlung.“
Mehr als vierhundert Seiten stark seien die zweihundert Korrespondenzstücke des Wiener Schriftstellers und Kritikers Alfred Polgar an den Schweizer Kollegen und Kunstmäzen Carl Seelig: „Die inhaltsreichen Briefe stammen aus den Jahren 1928 bis 1955 und veranschaulichen die extreme Lebenssituation, in der sich Polgar befand: 1933 hatte der österreichische Jude und Antifaschist das nationalsozialistische Deutschland verlassen, bald danach wurden seine Bücher öffentlich verbrannt. Seine Flucht führte ihn über Wien und Paris bis ins amerikanische Exil, wo er noch lange auf finanzielle Hilfe angewiesen war.“ Carl Seelig sei Polgar viele Jahre zur Seite gestanden und habe ihm regelmäßig zu Aufträgen für Veröffentlichungen verholfen.
Biografisch sowie werk- und kulturgeschichtlich von hoher Bedeutung seien die 363 Briefe und Postkarten Jakob Wassermanns an seine erste Frau Julie Speyer aus der Zeit von 1900 bis 1929: „Neben den Hemmnissen und Fortschritten in seiner Arbeit berichtet der zu seiner Zeit außergewöhnlich populäre Erzähler von seinen Treffen mit den Größen des literarischen Lebens.“ Erwähnt werden etwa Franz Blei, Gerhart Hauptmann, Hugo von Hofmannsthal, Alfred Kerr, Thomas Mann, Rainer Maria Rilke, Felix Salten, Arthur Schnitzler und Richard Strauss. Auch Wassermanns Vorliebe für das ländliche Leben komme in den Briefen zum Ausdruck: 1919 übersiedelte Jakob Wassermann mit seiner zweiten Frau, der Schriftstellerin Marta Stross, von Wien nach Altaussee. (ÖNB)