Speisekugeln, Butterbrot mit Rehflocken, Fingerimbiss
REST DER WELT / BELVEDERE / ATTERSEE
20/03/19 Seine Werke sind Geschmackssache. Das Wiener Belvedere widmet Christian Ludwig Attersee eine große Einzelausstellung, die vor allem sein Frühwerk in den Fokus rückt. Mit wenig bekannten Arbeiten zeigt die Schau, wie Attersee den Umbruch in der künstlerischen Produktion ab den 60er-Jahren mit beeinflusst hat.
„Die Ausstellung Attersee. Feuerstelle ist eine Rückkehr zu den Wurzeln des Künstlers und zugleich eine Zeitreise in die Gegenwart. Sie erinnert an die Sprengkraft des radikalen Frühwerks und zeigt Attersee als singulären Wegbereiter des souveränen Cross-over zwischen Kunst und Lebensgestaltung in allen Facetten“, so Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere.
Attersee. Feuerstelle wirft erstmals einen ausgedehnten Blick auf die Anfänge des Wiener Künstlers. Die Schau will den frühen Attersee-Kosmos exemplarisch abbilden und die zentrale künstlerische Entwicklung in Attersees ausschweifendem Œuvre nachzeichnen.
Der Titel der Ausstellung ist dem Bild Feuerstelle (2001) entlehnt: Darab werde gezeigt, wie Attersee den kontinuierlichen Aufbau des eigenen Werks auf der Grundlage vorangegangener Arbeiten entwickelt. Bislang eher weniger beachtete Sujets werden präsentiert und stellen die Wechselbeziehungen zwischen den Genres in den Vordergrund, die „Atterseeisierung“ der Umgebung. Collagen, Grafiken, Fotografien, Filme, Musik und Gemälde stehen gleichberechtigt neben Erfindungen, Kunsthandwerk und Produktdesign. Da und dort werden aktuelle Arbeiten in die Ausstellung integriert, um die Stringenz in Attersees Œuvre nachvollziehbar zu machen.
In seiner fast sechzigjährigen Künstlerkarriere habe Christian Ludwig Attersee erfolgreich alle Kategorisierungen der Kunstgeschichte unterlaufen. Der 1940 in Pressburg als „Christian Ludwig“ geborene Künstler wählt 1966 den Beinamen Attersee nach dem gleichnamigen See im Salzkammergut, an dem er aufgewachsen und zum Meistersegler geworden ist.
Der Attersee wird zu seinem allumfassenden Motiv, zum Markenzeichen.
Ab den 1960er-Jahren entwickelte Attersee eine ganz eigene Bildsprache. Als Gegenpol zum Wiener Aktionismus geht es ihm nicht um den Bruch, sondern um die Erweiterung der Schaffensgrenzen und um die schöpferische Kraft der Kunst. Attersees Objekterfindungen, die er später auf Leinwand und Papier überträgt, schlagen eine Brücke zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand – so etwa die Speisekugeln oder das Attersteck.
Der Künstler beschäftigt sich auch mit Bühnenausstattungen, tritt als Musiker auf, kreiert Wandteppiche und Mosaike, verhüllt den Wiener Ringturm und kreiert Lebensmittel wie den Kräuterwermut namens Atterbitter und die Attersee-Wurst. Während frühe Werkphasen mit grellen Farben und Bildmotiven an die Pop-Art erinnern, eignet sich der Künstler ab Mitte der 1970er-Jahre einen gestisch-expressiveren Zeichenstil an, der später ins Malerische geht. Attersee kokettiert mit dem Kitsch und versucht damit, die visuelle Präsenz seiner Arbeiten zu verstärken. Dabei ist seine Haltung ironisch-subversiv und selbstvermarktend zugleich.
„Die Reflexionen, die am Anfang seiner Kunst stehen, sind nicht nur in die Welt der Populärkultur eingegangen, sie sind heute ‚Mainstream‘ und in unser Leben unumkehrbar eingesickert“, so Britta Schmitz, Kuratorin der Ausstellung. „Für nachfolgende Künstlergenerationen ist Attersee Vorreiter bzw. eine der Gründerfiguren, und in Österreich ist er weitgehend ein Einzelgänger.“ (Belvedere/dpk-jw)