Pythia und HAL auf Wien-Odyssee
REST DER WELT / PERSONALIE STEPHAN PAULY
28/02/19 In Wien pfeifen es längst alle – aus mehr als üblich wohlgespeisten Quellen informierten – Spatzen vom Dach: „Stephan Pauly steht vor dem Sprung nach Wien“, heißt es unter dem Titel „Ein Neuer nach 32 Jahren“ im Standard von heute Donnerstag (28.2.). Wenn Stephan Pauly tatsächlich die Leitung des Musikvereins ab 2020 übernimmt, kann man den Wienern nur gratulieren.
Von Heidemarie Klabacher
„Im Vorfeld der Bestellung eines Nachfolgers für Musikvereinschef Thomas Angyan, den wohl Stephan Pauly beerben wird (Chef der Alten Oper Frankfurt)“, habe es im „Gerüchtegarten denn auch schönste Ideen- und Namensblüten zu bestaunen“ gegeben, heißt es im Standard-Artikel, der online schon gestern Mittwoch (27.2.) zu lesen war. Die fachgerechte Pflege der „Ideen- und Namensblüten“ sei den Wiener Gärtnern und Floristen überlassen.
Blicken wir kurz zurück auf die „Ära Pauly“ (nicht weniger war dessen Intendanz der Mozartwoche und des Festivals Dialoge) und hinein in ein, zwei per Zufall herausgepickte Almanache: „Auch in der Mozartwoche 2011 treten die Werke Mozarts in Dialog mit modernen und zeitgenössischen Musiksprachen“, heißt es im Vorwort des künstlerischen Leiters. Ein „roter Faden in den Konzertprogrammen“ bestand damals „in der Begegnung von Mozarts Musik mit den Werken von Alban Berg“. 2009 war das Verhältnis von Mozart und Haydn „Gegenstand eines erweiterten programmatischen Kontexts“ und „im Bereich der Neuen Musik“ waren mit Pierre Boulez (verstorben 2016, Anm.) und Matthias Pintscher „zwei Komponisten unserer Zeit mit einen eigenen Programmschwerpunkt zu Gast“.
Das war 2009. Zehn Jahre später (die Intendanz Marc Minkowskis zur Zeit des Stiftungsleiters Matthias Schulz sei hier ausgeklammert) sehen wir uns auf einen Mozartwochen-Anspruch gefühlt des Gründungsjahres 1956 zurückgeworfen. Denn selbst „vor Pauly“ hatte sich schon gelegentlich das eine oder andere Werk eines der Gebrüder Haydn ins Programm verirrt. Aufrufe zur „Rettung der Mozartwoche“ folgten. Gekommen ist anno 2004 Stephan Pauly. Und die Mozartwoche wurde in den Folgejahren ein klassisch-modernes, in vielen Konzerten spannende Verbindungs- und Bruch-Linien aufzeigendes Festival.
Solche „Aufholarbeit“ wird im Wiener Musikverein auch nach 32 (!) Jahren Angyan nicht nötig sein. Aber sollte Stephan Pauly, trotz seines laut Tageszeitung Der Standard bereits bis 2022 verlängerten Frankfurter Vertrages, ab 2020 den Wiener Musikverein leiten, wird er auch in diesem Traditionshaus Wegmarken setzen.
Ein kurzer Blick auf die aktuelle „Ära Pauly“ in Frankfurt: György Ligetis grandioses Orchesterstück Atmosphères stand vorigen Herbst beim Musikfest der Alten Oper Frankfurt im Mittelpunkt (zwei Festivalwochen 21.000 Besucher in 44 Veranstaltungen). Wir zitieren die Website: „Zu den Höhepunkten zählte die Vorführung von Stanley Kubricks Science-Fiction Klassiker 2001: A Space Odyssey, zu der das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung des Filmmusik-Experten Frank Strobel die Originalfilmmusik, darunter Ligetis Atmosphères, spielte.“
Was hätte wohl der wild gewordene Super-Bord-Computer HAL zur Wiener Blütenlese im Gerüchtegarten zu sagen? Wenig, wenn er echt schlau ist. Dass „Verhandlungen mit Dr. Stephan Pauly“ geführt werden, wurde laut Standard vom 28. Februar offiziell bestätigt. „Andere Namen kommen nicht mehr vor.“