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Sympathie für Besen und Kochlöffel

GRAZ / DIE REVOLUTION FRISST IHRE KINDER!

27/08/18 In Burkina Faso hat's 2014 eine Revolution gegeben, der Diktator wurde in die Wüste geschickt. Eine sanfter Umbruch, die Revoluzzer gingen mit Kochlöffeln und Besen auf die Straße. Aber der Regisseur Jan-Christoph Gockel, zufällig zeitgleich bei einem Theaterfestival am Ort, war mächtig beeindruckt.

Von Reinhard Kriechbaum

Diesem Oktober ist er mit einem Ensemble-Grüppchen vom Grazer Schauspielhaus wieder dorthin gefahren. Vier Wochen Afrika- und Selbsterfahrungstrip. Das Ergebnis: ein optisch opulent aufgemotzter, multimedialer Abend unter dem Titel „Die Revolution frisst ihre Kinder!“

Der Regisseur, die Schauspieler (mit der famosen Julia Gräfner als Kraftzentrum) und der Puppenspieler Michael Pietsch waren im Vorjahr in der Nestroy-bepreisten Produktion „Der Auftrag: Dantons Tod“ (Heiner Müller/Georg Büchner) zusammengewachsen. Nun packte man also die Danton-Puppen wieder ein.

Missionseifer zuerst: Mit den an den Strippen hängenden Puppen werde man „das Prinzip Demokratie erklären“ heißt es anfangs. Zur post-kolonialistisch angehauchten Demokratie-Lehrstunde kommt es vor Ort nicht, die Ernüchterung folgt postwendend: Ausgerechnet in der ehemaligen französischen Kolonie Obervolta von Liberté, Egalité, Fraternité zu erzählen, wäre Frotzelei. „So schnell ist es vorbei mit Dantons Tod in Afrika“, sagt einer vom Ensemble achselzuckend. Und das nicht nur, weil ein Requisitenkoffer nicht da ist.

Immer lief die Kamera, schon bei den Reisevorbereitungen in Graz. Was erwarte ich mir, wie wird’s in der Gruppe? Die Fragen könnte sich ein in die Entwicklungshilfe vorbildlich sich einbringender Laientheologe ausgedacht haben. An die Empathiefähigkeit des Publikums werden allerhöchste Anforderungen gestellt, oder anders gesagt: eine Stunde Befindlichkeits-Gesülze hätte man besser rausgestrichen.

Schließlich kratzen die Theaterleute doch noch die Kurve und landen endlich dort, wovon zu erzählen wirklich lohnt: Thomas Sankara hieß der „afrikanische Che Guevara“ , der es mit Sanftheit und geschliffener Rede zum Präsidenten brachte. Er gab dem Land den Namen Burkina Faso. 1984 hielt Sankara eine bemerkenswerte Rede vor der UNO, und er betätigte sich als schwarzafrikanischer Netzwerker gegen den heimlichen Kolonialismus. Sankaras Regentschaft nahm nach vier Jahren ein jähes Ende, er wurde 1987 ermordet. Sein Nachfolger, der in der sanften Revolte 2014 aus dem Land gejagte Langzeit-Diktator Blaise Compaoré, hatte vermutlich seine Hände im Spiel.

Mit einigen der damaligen Opinion Leaders haben die Grazer Theaterleute gesprochen. Es wurden auch Filmszenen neu gedreht. In einer Art fiktiven Realität haben sich die Grazer Schauspieler hinein reklamiert in die Geschehnisse von 2014. Die Gegenspieler Thomas Sankara und Blaise Compaoré begegnen uns als Marionetten (sie wurden vor Ort eilends geschnitzt). Aus dem Danton auf der Bühne (Florian Köhler) wird ohne weiteres Umkleiden die Allegorie Frankreichs oder gar Europas. Dieses Europa nimmt die Compaoré-Puppe liebevoll zur Brust. Was wäre Europa ohne schwarzafrikanische Potentaten von seinen Gnaden?

Alle sympathisieren mit der Partei der Besen und Kochlöffel. Das ist für aufgeklärte Europäer eigentlich selbstverständlich. Trotzdem gilt für Jan-Christoph Gockel und das beinah über-engagierte Grazer Ensemble: Es waren Künstler am Werk und keine Journalisten. Die „Recherche“ galt ausschließlich jener Seite, bei der aus europäisch-humanistischer Perspektive alle Sympathien liegen.

Nicht unerwähnt bleiben darf: Burkina Fasos Hauptstadt Ougadougou ist gerade ein Ort, an dem sich viele eurropäische Theaterleute herumtreiben, vor allem beim jährlichen Festival „Les Récréâtrales“. Das gute Klima für bunte Theatervögel wusste schon Christoph Schlingensief zu schätzen, der in Burkina Faso sein Operndorf einrichtete.

Optisch packend gemacht ist die Grazer Produktion allemal. Entsprechend groß war der Jubel nach der Uraufführung am Fraitag (23.11.).

Aufführungen im Schauspielhaus Graz bis 31. Jänner – www.schauspielhaus-graz.com
Bilder: Schauspielhaus Graz / Lupi Spuma

 

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