asdf
 

Menschen, gefangen im (Ringel)Spiel

REST DER WELT / WIEN / DER SPIELER

20/10/17 Sergej Prokofjew spielt als Opernkomponist nur eine Nebenrolle auf den Spielplänen der Opernhäuser außerhalb des russischsprachigen Raums. Etwas häufiger trifft man noch „Die Liebe zu den drei Orangen“ an, den „Spieler“ praktisch nie. Das Haus am Ring zeigte ihn bisher erst einmal als Gastspiel des Nationaltheaters Belgrad. Eine letzte (Gastspiel-) Aufführung in Wien fand vor genau zehn Jahren im Theater an der Wien statt.

Von Oliver Schneider

Prokofjew vertonte den ersten Teil von Dostojewskis Roman, der in Roulettenburg spielt, wo vor dem wirklichen Leben flüchtende oder sich vor den Herausforderungen versteckende Menschen ins Spiel flüchten. Zu diesen Menschen gehört auch der als Hauslehrer bei einem General a. D. und Spieler arbeitende Alexej, der aus Liebe zu Polina, der Stieftochter des Generals, am Schluss des Werks zum Spieler wird und für sie so viel Geld gewinnt, damit sie ihre Schulden gegenüber einem Marquis, in dessen Schuld sie steht, abbezahlen kann. Doch sie will das Geld nicht, so dass Alexej sie in Wien – anders als bei Dostojewski und im Libretto – erwürgt.

Karoline Gruber und ihr Ausstatter-Team (Bühne: Roy Spahn, Kostüme: Mechthild Seipel) lassen den Abend zwischen Holzpferden und anderen Elementen eines Ringelspiels im Stil der Entstehungszeit spielen – Prokofjew begann mit der Arbeit während des Ersten Weltkriegs, die Uraufführung fand erst 1929 in Brüssel in französischer Sprache statt . Das Ringelspiel steht als Symbol für die Hamsterrad-artige Unfähigkeit der Protagonisten, aus der Spielwelt in die Realität zurückzukehren. Lauter überzeichnete Erscheinungen, die Gruber meisterhaft porträtiert hat. Und die dank des genau auf das Bühnengeschehen abgestimmten Dirigats von Simone Young so deutlich deklamieren, dass man jedes Wort verstehen würde, wenn man denn des Russischen kundig wäre. Eher unglücklich ist in dem Fall das – neue – Übertitelungssystem in der Rückenlehne des Sitzvordermanns, da es den Zuschauer immer wieder zwingt, nach unten, anstatt auf die Bühne zu schauen.

Erst im vierten Akt zeigen Gruber und ihr Team ein großes, wenn auch heruntergekommenes Ringelspiel. Ohne die obligaten Pferde, dafür mit mittlerweile zu grotesken Schatten ihrer selbst gewordenen Menschen, die Alexejs Glück mit dem Setzen auf „Rouge“ zur innerlichen Verzweiflung treibt. Und bis zum Schluss bleibt Alexej diese Welt fremd, bis Polina seinen Spielgewinn verschmäht und damit zeigt, dass sie aus dem „Spiel“ nicht ausbrechen will.

Für die Aufführung des „Spielers“ benötigt ein Opernhaus ein riesengroßes Ensemble, 31 Partien sind zu besetzen. Die vielen Klein- und Kleistpartien sind hervorragend besetzt.

Für den wegen Spielschulden verarmten General, der sehnsüchtig auf den Tod der reichen Babulenka wartet, hat man Dmitry Ulyanov als Hausdebütant eingeladen, der einen polternden, stimmmächtigen Spielsüchtigen gibt. Ebenso präsent und stimmlich mit Volumen überzeugend ist Elena Guseva als Polina. Den hoffnungslos in Polina verliebten Hauslehrer Alexej gibt Misha Didyk, der fast pausenlos auf der Bühne gefordert ist. Er gefällt nicht nur mit seinem vorzüglich fokussierten Tenor, sondern vor allem mit seiner gespielten Leidenschaft für Polina. Als Babulenka kann man sich keine geeignetere Sängerdarstellerin als Linda Watson vorstellen. Thomas Ebenstein, der sich leider in der besuchten Vorstellung am Samstag (14. Oktober) am Knie verletzt hat, ist der verschlagene Marquis, Elena Maximova eine ebenso mit allen Wassern gewaschene Blanche und Morten Frank Larsen gibt ein kauziger Engländer Astley.

Letzte Aufführung heute Freitag (20.10.) – www.wiener-staatsoper.at
Bilder: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014