Riten, Rhythmus, Temerament
STYRIARTE / COLOMBIAN YOUTH PHILHARMONIC
10/07/2017 Das „Colombian Youth Philharmonic Orchestra" gastierte auf seiner ersten Europatournee bei der Styriarte in Graz. Andrés Orozco-Estrada, Mentor und Chefdirigent, und seine 120-köpfigeTruppe begeisterten in der Helmut List Halle mit einem Programm aus purem Rhythmus.
Von Heidemarie Klabacher
Sie hatten schon dem Foyer exotisches Flair verliehen – und im Stück „América Salvaje” des Peruaners Jimmy Lopez fanden die Hundertschaften grellbunter Plastik-Vögelchen endlich Verwendung: Auf Einsatz des Dirigenten durfte das Publikum mit den Wasserpfeifchen helfen, „Anden-Flair“ zu entwickeln. Ein reizvolles Stück, das ganz ohne Folkloristik lateinamerikanische Geschichte erzählt. Reizvoll zu hören und mitreißend musiziert.
Eröffnet wurde mit „Escaramuza“ für Streicher, Schlagzeug und Harfe der lateinamerikanisch-stämmigen kalifornischen Komponistin Gabriela Lena Frank: Das war ein beinah friedvolles „Scharmützel“ - angesichts der immer komplexeren rhythmischen Strukturen der weiteren Werke.
Von welchem Kaliber die Mitglieder des „Colombian Youth Philharmonic Orchestra” tatsächlich sind – technisch, rhythmisch, klanglich – offenbarte sich dennoch erst in Alberto Ginasteras Suite op. 8 aus dem Ballett „Estancia“. Plötzlich hörte man reizvoll changierende Holz- und Blechbläserfarben auch im piano-Bereich und erstmals auch hell aufglänzende präsente Streicherklänge. Das sanfte Wiegen des „Weidentanzes“ lud ebenso unwiderstehlich zum Swingen, wie der virtuos hingefegte stampfende „Malambo“ – die perfekte Abschuss-Rampe für Igor Strawinskis „Le Sacre du Printemps“.
Da begnügte Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada sich nicht nur damit, die Seinen zu polyrhythmischen Veitstänzen und subtilem Klangfarben-Zauber anzustacheln: Er hat, zusammen mit dem Choreografen Gabriel Galindez Cruz, auch noch eine „Performance“ für die Orchestermusiker entwickelt. Diese hatten denn auf dem Platz zu tanzen oder in Ekstase zu geraten, mit den Instrumenten rituelle Bewegungen oder Skulpturen auszuführen und dabei pünktlich auf Schlag auch wieder zu spielen. Die goldenen Schuhbänder in den schwarzen „Dienst-Turnschuhen“ der Orchestermitglieder kamen besonders zur Wirkung, als die jungen Leute – an den Pulten sitzen bleibend da gleichzeitig spielend – eine Art Reigen zu tanzen begannen... Bei so viel geballter Energie wirkte es geradezu logisch, die Musikerinnen und Musiker gleichzeitig als Performer einzusetzen. Ein Erlebnis.