Geburtstag einer "Untertreibungskünstlerin"
07/06/17 Ganz neue Sichtweisen auf das Werk Elfriede Gerstls und die Möglichkeit, bislang unveröffentlichte Texte kennenzulernen: Im Rahmen einer Tagung, die sich mit dem Frühwerk einer der wichtigsten österreichischen Autorinnen nach 1945 beschäftigt, wird auch der Finalband der Gerstel-Werkausgabe präsentiert.
Von Verena Resch
Aber ich seh jetzt beginn‘ ich auch schon
über das Schreiben zu schreiben
und sogar darüber,
dass das Schreiben
über das Schreiben ...
Ich glaube, ich sollt‘ jetzt aufhören
ich hab‘ das Gefühl,
das führt zu nichts.
(aus Elfriede Gerstl: Ich möchte ein Shakespeare-Drama)
Bereits Wendelin Schmidt-Dengler nannte Elfriede Gerstl eine „Untertreibungskünstlerin“ – dass ihr Schreiben „zu nichts“ geführt hätte, lässt sich nun wirklich nicht behaupten, gilt sie doch als eine der wichtigsten Schriftstellerinnen der österreichischen Literatur nach 1945. Ihr 85. Geburtstag, den die 2009 verstorbene Autorin am 16. Juni gefeiert hätte, ist Anlass für eine Tagung, die am Donnerstag (8.6.) in der Alten Schmiede Wien stattfindet und von den Germanistinnen Christa Gürtler und Konstanze Fliedl organisiert wird. Die Vorträge sollen wissenschaftlich noch wenig erforschte Fragen in den Blickpunkt rücken, so wie das „Wienerische“ bei Gerstl oder die Frage nach der Übersetzbarkeit ihrer Werke. Außerdem werden die Schriftsteller Teresa Präauer und Franz Schuh Texten Gerstls lesen und kommentieren.
Am Abend präsentieren die Herausgeber Christa Gürtler und Martin Wedl im Anschluss an die Tagung den fünften und finalen Band der Werkausgabe, der erstmals einen Blick in Gerstls Schreibwerkstatt gewährt. Der Nachlass der Autorin, die zu Lebzeiten nur ein schmales Werk veröffentlichte, enthält zahlreiche unveröffentlichte Texte und Notizbücher. Der Band mit dem Titel „Das vorläufig Bleibende“ sammelt nun eine Auswahl jener unbekannten Werke, Denkkrümel sowie ausführliche Interviews einer Autorin, die Zeit ihres Lebens bedacht war, mit Informationen zu sich und ihrem Werk sparsam umzugehen.
Hier berichtet sie teilweise sehr offen über traumatische Erfahrungen im Holocaust und die Mühen einer Randexistenz in der österreichschien Avantgarde. Nach der Präsentation soll ein Podiumsgespräch die Möglichkeit bieten, darüber zu diskutieren ob und wie „Das vorläufig Bleibende“ neue Lesarten Elfriede Gerstls ermöglicht.