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Triumph für und mit Schostakowitsch

REST DER WELT / MÜNCHEN / LADY MACBETH VON MZENSK

30/11/16 Kirill Petrenko und Harry Kupfer werden in der Münchner Staatsoper für die Produktion „Lady Macbeth von Mzensk“ von Dimitri Schostakowitsch einhellig gefeiert. Anja Kampe gibt ihr Rollendebüt als Lady Macbeth.

Von Oliver Schneider

Das gibt es selten nach einer Premiere in der Bayerischen Staatsoper: einhelligen Jubel für die Protagonisten, das Orchester und das Regieteam. Bereits 2009 war Kirill Petrenko und Harry Kupfer gemeinsam in Frankfurt mit Hans Pfitzners Palestrina ein Coup gelungen, der die Erwartungen für München hoch schraubte.

Petrenko führt das Bayerische Staatsorchester kongenial durch die abrupten Brüche der Partitur: von ohrenbetäubenden Fortissimi zu kammermusikalischen Ruhepunkten, von der grotesk-überzeichneten Heiterkeit am Hochzeitsfest im dritten Akt zu bedrohlicher Dramatik, als die Leiche im Keller der Ismailows gefunden wird, von subtilen Lyrismen zu schmerzhaften Dissonanzen. Dabei fächert Petrenko nicht nur klanglich, sondern auch dynamisch auf, so dass jedes neue Piano, jedes Forte eine andere Stimmung entstehen lässt.

Die Inszenierung vom Regie-Altmeister Kupfer ist eine stimmige realistische Nacherzählung des Librettos nach der gleichnamigen Erzählung von Nikolai S. Leskow. Das Regieteam (Bühne: Hans Schavernoch, Kostüme: Yan Tax) führt die Ismailows während der Revolutionszeit einen Industriebetrieb. Die Werkhalle hat schon bessere Zeiten gesehen, darüber kann auch der stattlich gekleidete Seniorchef Boris nicht hinwegtäuschen. Er ist immer noch der Herr im Haus, sein Sohn Sinowi ist neben ihm eine Null. Nur einmal hat er sich gegen seinen Vater durchgesetzt, als er die aus einfachen Verhältnissen stammende Katerina geheiratet hat. Für Katerina ist es aber nur scheinbar ein Aufstieg, denn in der rauen Männergesellschaft ist die Frau vor allem ein Objekt der Begierde.

Schavernoch hat für sie einen Verschlag in der Mitte der Halle konstruiert, in dem sie haust. Statt eines Betts besitzt sie nur eine Holzpritsche. Später öffnet sich der Raum und gibt den Blick frei auf den bedrohlich bewölkten Himmel respektive einen unendlichen See in Sibirien. Katerina sehnt sich nach einem anderen Leben, nach Achtung und Liebe.

Schwiegervater Boris lauert Katerina auch schon lange auf und will die geschäftliche Abwesenheit seines Sohns Sinowi für ein Tête-à-Tête nutzen. Dabei erwischt er sie mit Sergej beim Ehebruch, den Schostakowitsch auch für heutige Hörer immer noch gewaltig in Töne gesetzt hat und der 1936 Mitauslöser für den verhängnisvollen Artikel „Chaos statt Musik“ in der Prawda war. Danach verschwand das Werk für ein Vierteljahrhundert von den russischen Bühnen. Boris straft Sergej für sein Tun und lässt sich hinterher von seiner Schwiegertochter ein (vergiftetes) Pilzgericht vorsetzen. Mit dem Mord an Boris sucht Katerina ihre Befreiung aus den imaginären Fesseln. Gleichzeitig sinkt ihre Hemmschwelle für die weiteren Morde an Ehemann Sinowi sowie später im Gefangenenlager an Sergejs neuer Flamme Axinja.

Anja Kampe ist eine ideale, emotionale Katerina. Mit satter Tiefe, breiter Mittellage und zuweilen leicht gepressten Höhen. Dem verdienten Anatoli Kotscherga als Boris Ismailow fehlt es leider an der substanzvollen Schwärze für den despotischen Charakter des Schwiegervaters, so überlegen kalt er ihn spielt. Misha Didyk ist ein durchschlagskräftiger, rollenerfahrener Sergej, Sergey Skorokhodov ein stimmlich adäquater Ehemann Sinowi. Die vielen kleinen Charaktere zeichnet Kupfer so genau, dass sie ein realistisches Bild der verkommenen, von Männern beherrschten Arbeitergesellschaft in Mzensk geben. Hervorragend präpariert ist der von Sören Eckhoff einstudierte Chor.

Kupfer hätte die russischen Lady Macbeth wohl vor zwanzig Jahren nicht anders erzählt: mit klaren politischen und sozialkritischen Aussagen. Das mag zurzeit altmodisch wirken, ist aber bei der vorherrschenden Video- und Slapstick-Beliebigkeit eine wohltuende Abwechslung. Die Messlatte liegt hoch.

Lady Macbeth von Mzensk - weitere Aufführungen am 1., 4., 8. und 11. Dezember (Restkarten) und am 22. Juli 2017 - www.staatsoper.deDie Vorstellung am 4. Dezember wird ab 19 Uhr auf www.staatsoper.de/tv live übertragen

 

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