Große Romantik am Ostersonntag
OSTERFESTSPIELE / KAMMERKONZERT
19/04/22 Es war ein Gipfeltreffen zwischen Wagner und Brahms, vermittelt durch die Brillanz und Spielfreude von einer Musikerin und zwölf Musikern der Sächsischen Staatskapelle Dresden – allerdings vor schütter besetzen Stuhlreihen. War es die sonnige, wenn auch kühle Nachmittagsstunde oder die festtägliche Jausenzeit?
Von Gottfried Franz Kasparek
Nun, Kammermusik ist leider überall ein Minderheitenprogramm und 15 Uhr ist auch biologisch betrachtet kein idealer Konzerttermin. Auch das Kammerkonzert im ersten „Zyklus“ der Osterfestspiele war schon nicht bestens gebucht... Man hätte das Programm vom Ostersonntag auch als „Kammerorchester-Konzert“ ankündigen können. Denn die Serenade Nr. 1 D-Dur op. 11 von Johannes Brahms ist in der von Jorge Rotter 1987 kundig und einfühlsam rekonstruierten Urfassung für Nonett schon an der Grenze der Kammermusik im klassischen Sinn . Und die erste Version von Richard Wagners Siegfried-Idyll geht mit dreizehn Mitwirkenden eindeutig darüber hinaus.
Wie auch immer, die Interpretation der beiden Werke ließ samt gottlob wieder möglicher Kaffeepause die Frühjahrsmüdigkeit entschwinden.
Brahms war ja sogar Ehrenmitglied des „Tonkünstler-Vereins“, in dem „Kapellmitglieder“ seit 1854 vor allem kleiner besetzte Stücke spielten. Heute nennt sich der Verein „Die Kammermusik der Sächsischen Staatskapelle“. Dass dieses Orchester so gut und immer noch die von Wagner so benannte „Wunderharfe“ ist, hängt von drei Faktoren ab: Oper. Großes Konzertrepertoire in aller Vielfalt. Kammermusik. Die dadurch gewonnene Flexibilität lässt es zu, auch relativ groß besetzte Werke ohne Dirigenten zu spielen.
Die Brahms-Serenade erklang prächtig geformt, sensibel erfühlt und virtuos erfüllt, wahrlich ein genuin romantischer Nachklang der Mozart-Serenaden und gleichzeitig der Beginn einer neuen Tradition. Die neun Herren, die das vollendet spielten, wirkten bei aller Konzentration locker und beschwingt. Man sollte sie alle nennen, doch sei der ehemalige Salzburger und jetzige Dresdner Solohornist Zoltán Mácsai stellvertretend hervorgehoben, zumal die Klarheit und Schönheit seines Musizierens immer wieder ein Erlebnis ist.
Nach der Pause kam dann die einzige Frau, die Oboistin Céline Moinet, dazu. Siegfried-Idyll. Am Christtag 1870 wurde das Morgenständchen zum 33. Geburtstag von Cosima Wagner im Treppenhaus zu Tribschen natürlich von zwölf Herren aus Zürich gespielt und vom auch Trompete blasenden Hans Richter dirigiert. Ein klassisches Kammerorchester, bestehend aus Streichquartett, Kontrabass, teilweise doppeltem Holz, zwei Hörnern und einer behutsam eingesetzten Trompete sorgte damals wie heute für Freude. Was für ein Unterschied zur spielerischen Leichtigkeit der Brahms-Serenade!
Wagner malt ein sinnlich-sinniges Familienidyll für Frau und Kinder, in dem oft fröhlich Jung-Siegfried herumturnt, aber mit betörender Chromatik und irisierenden Klängen der Impressionismus vorweggenommen zu sein scheint. Ganz ohne Pathos und Kraftentfaltung, einfach stimmungsvoll schön. Und so spielten es auch die dreizehn, von Konzertmeister Matthias Wollong angeführten „Kapellmitglieder“ und Jubel war denn auch ihr Lohn. Und es ist schon ein Jammer, dass die Dresdener Ära in Salzburg zu Ende geht.
Bilder: www.staatskapelle-dresden.de