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Maria in der Unterwelt

JUNGE PHILHARMONIE / METROPOLIS

09/05/10 Man wähnt sich selber in der „Tiefe“. Verloren oder zumindest auf verlorenem Posten. Der Bierausschank - das einzig Erfreuliche in der asphaltierten Weite der Stiegl-Festhalle.

Von Heidemarie Klabacher

Ein sonderbares Ambiente, aber was soll’s? Die Junge Philharmonie hat dort live die Filmmusik zu Fritz Langs Stummfilm „Metropolis“ gespielt, am Freitag (7.5.).

Ist die ganze Filmgeschichte seit 1927 ein einziges Plagiat von „Metropolis“? Natürlich kennt man die symbolbeladene Geschichte von der Unterdrückung der Massen im Großen und Ganzen. Da und dort hat man Bilder und Sequenzen gesehen - die Großstadtschluchten und die Luftautobahnen etwa. Aber ob nicht doch das meiste Bilder von „Nachschöpfungen“ späterer Jahre und Jahrzehnte Filmschaffens sind? Gibt es irgendeine Einstellung oder irgendein Motiv aus „Metropolos“, das nicht hunderte Male „zitiert“ und/oder abgekupfert wurde?

In der gigantischen Maschinenstadt Metropolis herrscht strikte Klassentrennung. Die Massen derer, die das Werk am Laufen halten, in zehn Stundenschichten Sklaverei, leben „unten“. Dort gehören sie auch hin, nach Meinung von John Fredersen, dem Gründer und Herrscher über dieses futuristischen Babel. „Oben“, etwa im „Klub der Söhne“, herrschen Luxus und eitel Sonnenschein. Eines Tages taucht an der Schwelle zu diesem künstlichen Paradies eine Schar Kinder aus der Unterstadt auf, geführt von einer charismatischen jungen Frau. Freder, Joh Fredersens Sohn, verliebt sich auf der Stelle. Seine Suche nach dem Mädchen führt ihn in die Unterstadt - und er muss erkennen, dass er ein Schmarotzer ist, seine ganze Existenz auf Ausbeutung und Sklaverei basiert. Er will Maria finden - und den Menschen dort unten Erlösung bringen.

Was man keineswegs so präsent hat ist die geradezu messianische Grundstimmung des Films. Freder ist ein guter Mensch, der das Unrecht nicht erträgt. Aber das Mädchen Maria ist geradezu als Erlöserfigur stilisiert.

Das wird erst so richtig spürbar im Zusammenhang mit der Originalmusik: Das Stampfen der Maschinen, die Unerbittlichkeit der Abläufe, die die Menschen selber zu Maschinen degradieren. Die Schwülstigkeit und Schwüle des dekadenten Treibens im künstlichen Dschungelparadies oder in den Clubs der Reichen. Die sakrale Stimmung in den uralten „Katakomben“ tief unter der Unterstadt, wo Maria den Arbeitern die Liebe predigt und die Hoffnung auf einen Mittler zwischen oben und unten, zwischen „Hand“ und Hirn“ nährt: All das wird von der ebenso plakativen wie wirkungsvollen Original-Filmmusik von Gottfried Huppertz in der Wirkung gesteigert bis zur Gänsehaut. Ist es Einbildung, dass die Musik zu den Auftritten Marias vor den Arbeitern klingt wie eine Variation auf das Marienlied „Glorwürd’ge Königin“?

Ein Urerlebnis also, Film und Musik zusammen. Leider wurde nicht die im Februar dieses Jahres in Berlin präsentierte vollständige rekonstruierte Originalfassung gespielt, aber es war auch so überwältigend.

Ein wesentlich größerer Stolperstein war da schon die Verstärkung, die an einzelnen Stellen in der Halle nur Gedröhn der Pauken oder Geschrill der Flöten ankommen ließ. Vollblutmusikerin Elisabeth Fuchs lässt das Orchester sicher nicht verstärken, wenn die Raum-Akustik nicht dazu nötigt. Eine Zumutung war der Aufenthalt im Umkreis der überlaut aufgedrehten Boxen dennoch. Zum Glück war die Halle nicht ganz ausverkauft - und nach einigem Herumirren, quasi mit zugehaltenen Ohren, fand sich dann doch ein Platz für ungetrübten Hörgenuss.

Zum Dialoge-Bericht {ln:Als die Bilder tönen lernten}

 

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