Weihnachts-Ohrenschmeichler
CD-KRITIK / STIFTSMUSIK ST. PETER / ARMIN KIRCHER
21/12/15 Dem wackeren evangelischen Theologen Johann Hinrich Wichern haben wir nicht nur den Adventkranz zu verdanken. Der Diakonie-Begründer hat auch an das Weihnachtslied „Stille Nacht“ Hand angelegt. Seine Melodiefassung singt man auf der ganzen Welt, was Touristen manchmal verwundert aufblicken lässt, wenn sie das Lied hierzulande hören.
Von Reinhard Kriechbaum
Der kleine Unterschied: Bei „Schlafe in himmlischer Ruh“ steigt die Melodie in der „Weltfassung“ ganz hoch hinauf, wogegen sie im Original von Franz Xaver Gruber eine Terz tiefer und damit unverkrampfter singbar bleibt. Johann Hinrich Wichern war es übrigens auch, der die sechs Strophen auf jene drei reduziert hat, die man heutzutage auswendig kann.
Aber was heißt schon „Original“. Franz Xaver Gruber hat selbst mehrere Versionen seines Lieds verfasst. Eine besonders einprägsame ist jene „Hornfassung“, bei der das Blasinstrument alle zwei Takte lustige Dreiklangsmotive einwirft. Armin Kircher, der heuer im Oktober jung verstorbene Stiftskapellmeister von St. Peter, hat aus der frühesten authentischen Niederschrift (für Gitarre und zwei Singstimmen, 1820), aus der „Hornfassung“ (1845) und einem noch späteren Satz für Chor und Orchester, 1860) ein anregendes Pasticcio aus Originalfassungen zusammengestellt. Aber eröffnet wird die CD mit der „internationalen“ Fassung von 1844: Da schauen wiederum die Salzburger!
Der Name Mozart taucht in dieser Zusammenstellung von Weihnachtsmusiken ganz unterschiedlicher Art ebenfalls auf. Franz Xaver Mozarts „Engel Gottes künden“ für zwei Sopran-Soli und Orchester ist eine feine biedermeierliche Weihnachtsmusik. Erzbischof Colloredo legte Wert auf deutschsprachige Kirchengesänge, deshalb haben beispielsweise Franz Xaver Gruber oder Thaddäus Susan schlichte Lieder fürs damals aktuelle Kirchengesangbuch geschrieben. „Welch ein Jubelton“ oder „Heiligste Nacht!“ von Gruber kann man hierzulande gelegentlich in Christmetten hören.
Viel Verschiedenes ist auf dieser CD, dem tönenden Vermächtnis von Armin Kircher. Die Auswahl spiegelt den weiten Horizont dieses Kirchenmusikers und seinen Sinn fürs Volkstümliche. Alpenländisches, wohlbekannte alte Kirchenlieder, die eine oder andere Rarität zwischendurch: Eigentlich geht’s fast nicht ohne diese CD der Stiftsmusik St. Peter. Die musikalische Qualität ist vorzüglich, und man erfährt im Booklet auch viel über die Herkunft der Stücke.
Etwas Besonderes: Peter Cornelius hat in dem Lied „Drei Kön'ge wandern“ die Singstimme dem (vom Klavier gespielten) Bach-Choral „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ aufgesetzt. Das ist hier „zurückübersetzt“ ins Chorische. Exotisch, aber stimmungsvoll.
Stille Nacht. Solisten, Chor und Orchester der Stiftsmusik St. Peter, Salzburg, Leitung Armin Kircher. Diamo, Best.-Nr. 14649 – Zu beziehen in der My Home Music Lounge am Universitätsplatz - www.myhomemusic.at