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Dem Vergessen entrissen

CD-KRITIK / ARIADNE DASKALAKIS, WOLFGANG BRUNNER

16/12/15 Besser spät als nie: auch wenn die Einspielung schon im April 2011 erfolgte, so freut passend vor Weihnachten die Veröffentlichung dreier Violinsonaten von Ferdinand Ries, in originalem Klangbild. Nicht nur vom Blickwinkel einer Erweiterung der Kenntnis aus.

Von Horst Reischenböck

Einer der wenigen, der sich rühmen durfte, tatsächlich Schüler von Ludwig van Beethoven gewesen zu sein, war sein vierzehn Jahre jünger Bonner Landsmann Ferdinand Ries, der auch von Beethovens Lehrer Georg Albrechtsberger unterrichtet wurde. Zu seiner Zeit wurde er als Komponist „weltweit“ – sprich: innerhalb Europas, von Frankreich über Skandinavien bis Russland und England – gerühmt. Von der Nachwelt freilich wurde ihm Epigonentum nachgesagt. Zu Unrecht, wie diese Aufnahme eines Zehntels all seiner Sonaten für Violine und Fortepiano nachdrücklich unterstreicht.

Im Schürfen nach Raritäten gelang damit Mozarteums-Professor Wolfgang Brunner zusammen mit Ariadne Daskalakis wieder ein Glückstreffer. der griechisch-US-amerikanischen Geigerin streicht mit einer Kopie eines Tourte-Bogens eine Guadagnini-Violine von 1769, ihr Spiel verbindet sich klanglich perfekt mit dem nach Vorlage des Wieners Michael Rosenberger durch Robert Brown in Oberndorf verfertigten Hammerklaviers. Das Vorbild war um 1810 eines der frühesten Tasteninstrumente mit sechs Oktaven, wie sie für zwei der Sonaten nötig sind. Es hat aber noch Kniehebel anstelle der heute üblichen Pedale (dem Booklet mangelt Information darüber). Jedenfalls scheint das Instrument ideal für Brunner, um daraus quirlig perlende Läufe zu zaubern.

Natürlich verleugnete Ries seine musikalische Abstammung nicht. Warum hätte er das auch tun sollen sollen?

Wie die acht Sinfonien, die Howard Griffiths mit dem Zürcher Kammerorchester beim selben Label vorlegte, sind auch diese Violinsonaten es absolut wert, dass sich Interpreten ihrer annehmen. Ein dankenswerter Anfang ist nun also gemacht. Die in Paris 1807 entstandene F-Dur-Sonate op. 8 Nr. 1, beschwört anfangs durchaus Beethovens Frühlingssonate herauf, führt jedoch in andere Bahnen weiter. So wie ein ganz eigenes, zwar nicht als solches bezeichnetes, dennoch charakteristisches, moll-getöntes Scherzo, nach dessen Motorik ein kurzes Larghetto in ein im Mittelteil bewegt dahinstürmendes Rondo mündet.

Aufhorchen macht der grandios-beherzte Unisono-Einstieg ins Allegro con brio der dramatisch-düsteren Sonate in cis-Moll (eine relativ seltene Tonart im Repertoire) op. 71, die Ferdinand Ries 1812 in St. Petersburg komponierte, absolut auf der Höhe der Zeit. Nicht minder bemerkenswert das fast zerklüftet ins nahezu Ausweglose dahinstürmende Finale dieser Sonate. Das dritte,kalmierende, Stück ist die B-Dur-Sonate op. 16 Nr. 2 aus Ries' Bonner Zeit von 1806, in dessen primär kantablen Kopfsatz sich, ähnlich wie schon in Mozarts C-Dur Konzert KV 503, immer wieder Beethovens hämmerndes Schicksalsmotiv verirrt. Kantabel steigt dann Ariadne Daskalakis im Alleingang in den langsamen Binnensatz ein, während es wiederum Wolfgang Brunner zukommt, die Polonaise zum freundlichen Ausklang anzustimmen.

Ferdinand Ries: Sonaten op. 8,1 F-Dur, op. 16,2 B-Dur & op. 71 cis-Mol. Ariadne Daskalakis (Violine), Wolfgang Brunner (Fortepiano). cpo CD 999 547-2 – www.jpc.de

 

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