Singen und zwitschern zur Orgel
CD-KRITIK / FRESCOBALDI
02/09/19 Für kleinere und größere Überrschungen für Interpreten und Zuhörer ist Girolamo Frescobaldi allemal gut: Da gibt es beispielsweise ein elendslanges Capriccio mit Vogelschrey. So gut wie in jeden Takt klingt die kleine Terz hinein.
Von Reinhard Kriechbaum
Der Organist Franns-Wilfrid von Promnitz legt noch eins drauf, singt selbst ein paarmal den Kuckucksruf – und er hat auf der Orgel der Wehrkirche Pomßen auch noch ein hübsches Zwitscher-Register namens Vogelgesang, das natürlich nicht wegbleiben darf. Solche „Schnurrpfeifereien“ kommen immer wieder vor in barocken Orgeln. Die geläufigste ist der Zimbelstern, der sich zu drehen beginnt und dabei ein helles Klimpern hören lässt. So etwas wird gerne zu Weihnachten eingesetzt.
Der Stern, den es auf der 1671 von Gottfried Richter gebauten Orgel auch gäbe, bleibt natürlich ungedreht in dieser Frescobaldi-Blütenlese. Ein wenig Geographie-Nachhilfe ist vonnöten: Pomßen ist ein Dorf 20 Kilometer südöstlich von Leipzig. In der im 13. Jahrhundert gebauten romanischen Wehrkirche befindet sich die älteste spielbare Orgel Sachsens. 2006 ist sie von dem Dresdner Orgelbauer Kristian Wegscheider restauriert worden. Ein Manual mit neun Registern, weitere drei Stimmen gibt es im Pedal.
Ein solches Instrument mit Frescobaldi zu konfrontieren, ist allemal reizvoll, auch wenn es da klang-stilistisch um völlig andere Kulturkreise geht. Frescobaldis Capricci, Canzonen, Ricercare sind durchwegs polyphon dicht gesetzte Stücke, für Orgel oder Cembalo gleichermaßen geeignet. Die oft markante kurze Motivik verkraftet die stechend-hellen Farboptionen von Cimbel und Sesquialter dieses Instruments gut, ja sie ruft gerade danach. Nicht nur den Toccaten geben die Zungenregister (Posaune, Trompete) Schärfe und Mächtigkeit. In den Arien mit Variationenreihen (Aria detto Balletto, 12 Partite sopra l'Aria di Ruggiero) offeriert Franns-Wilfrid von Promnitz viele Varianten, durchaus erstaunlich für die geringe Registerzahl.
Und noch einmal singt der Organist: Da gibt es nämlich ein Rätsel-Ricercar, in dem vier Stimmen notiert sind und ein Sänger danach suchen muss, wo die fünfte Stimme jeweils einsetzt. Frescobaldi hatte Humor.