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… daß ich keine grimaßen mache …

CD-KRITIK / MOZART / VIOLINSONATEN

21/08/19 Nichts Gewöhnlicheres könnte man sich im ersten Augenblick vorstellen als das Menuett-Thema von Mozarts C-Dur-Violinsonate KV 303 – doch es dauert nur wenige Takte, bis das Streichinstrument die trüberische Ruhe mit rupfigen Einwürfen so aufbricht, dass man als Hörer beinah zusammenzuckt.

Von Reinhard Kriechbaum

Das ist Interpretieren nach Art von Gunar Letzbor. Als Leiter des Biber-Wettbewerbs im oberösterreichischen Stift St. Florian wird dieser Geiger nicht müde, den Kandidaten einzubläuen, dass Alte Musik eben so klingen sollte, als ob sie von den Musikern im Moment neu erfunden, wenigstens neu entdeckt würde. An diese Maxime hält sich Letzbor auch selbst. Seine neue CD mit Mozart'schen Violinsonaten aus dem Jahr 1778 erzeugt oft und oft tatsächlich mit der Anmutung des spontanen Geistesblitzes.

Das Material: vier der sechs in Paris publizierten „Mannheimer Sonaten“ op. I aus dem Jahr 1778 – ausgeblendet blieben eben jene beiden Violinsonaten, die Mozart erst in Paris schrieb, seinem nächsten großen Reiseziel nach Mannheim. Mozart hat den Pariser Sonatendruck aus guten Gründen nicht selbst als „Mannheimer Sonaten“ bezeichnet. Dafür haben Gunar Letzbor und sein Tasten-Partner Erich Traxler eine weitere Sonate hinzu genommen: Jene in C-Dur KV 296 „mit Begleitung der Violine“ hat der damals 22Jährige tatsächlich noch in Mannheim, drei Tage vor seine Abreise nach Frankreich, für eine Schülerin geschrieben.

Man muss sich immer wieder vergegenwärtigen, dass Mozart selbst all diese Stücke als Klaviersonaten „mit Begleitung“ einer Violine bezeichnet hat. Spielt also eigentlich die rechte Hand des Klaviers – in dieser Aufnahme eines Cembalos – die „Erste Geige“? Gunar Letzbor tritt an, en gros und en détail vorzuführen, dass dem nicht so ist, dass die Bezeichnung „avec l'accompagnement d'un violon“ eher dem (alten) Zeitgeist geschuldet ist. Wie viel an Impulsen schon von der Violine kommt, wird auch deutlich, weil Letzbor und Traxler sich gegen das (Hammer)Klavier, sondern für eine fein klingende Kopie eines Ruckers-Cembalos entschieden haben. Die gläsernen und doch runden Bässe nehmen fast den Klang früher Hammerklaviere voraus.

Auf dieser Basis schreiten die beiden den beachtlichen Geigenkosmos des jungen Mozart ab. Der Salzburg-müde Komponist schielte auf eine Anstellung und trachtete, sich mit solchen Werken bestmöglich in Mannheim einzuführen. Da wird etwa in der Es-Dur-Sonate KV 302 im ersten Satz deutlich, wie aus einem scheinbaren Dutzend-Thema eine musikdramatische Erzählung von hoher Mitteilungskraft herauswächst (auch Dank den „konzertanten“ Solo-Einsprengseln des Cembalos). Wie ein Gegenpol das anschließende Rondo, das sich wie ein ruhiges Cembalo-Stück anhört, was der Geiger mit Mut zur Ruhe und Unaufdringlichkeit betont.

Reizvoll auch, wenn Gunar Letzbor den Volksmusikspuren in dieser Musik nachgeht und zum Beispiel den zweiten Satz der G-Dur-Sonate KV 301 ur-launig daherkommen lässt, aber eben dann sehr bewusst auch hören macht, wie das Folkloristische von Mozart überhöht wird. In einem Brief an den Vater (1777) bekrittelte Mozart übrigens ein Übermaß an Rubati, wie sie Leute gerne machen, die nie sich beflissen hätten „auf den tact zu spiellen“. Seinen eigenen Erfolg als Pianist erklärt Mozart eben so, dass er „keine großen grimaßen“ mache . Wie ein Ausreizen der Ausdrucksskala in diesen Werken gut zusammengeht mit einem Musizieren eben ohne aufgesetzte Grimassen – das kann man auf dieser Einspielung gut nachvollziehen.

Mozart. Mannheim 1778. Gunar Letzbor (Violine), Erich Traxler (Violoncello). Panclassics PC 10400 – www.jpc.de

 

 

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