Gesalbte und Geschmierte
RAURISER LITERATURTAGE / DONNERSTAG
31/03/17 Vier Autorinnen, vier Texte, vier Stimmen: Spannnagel erzählt knapp und präzise. Mischkulnig versucht sich durch Sprachspiele an die Wahrheit heranzuschreiben. Für Ranga ist Körper der Spiegel des Kosmos. Klemm muss zunächst durch einen Berg von Selbstmitleid hindurch.
Von Magdalena Bak, Katharina Bruckschwaiger
und Kerstin Fisslthaler
Mercedes Spannagel beginnt die Lesung ihres Textes „Wie es klingt, wenn es quietscht“ mit einer Korrektur: Sie stehe kurz vor dem Bachelor, nicht vor dem Master-Abschluss. Dennoch ist die erst 21-jährige bereits Förderungspreisträgerin. Damit ist das Eis gebrochen.
„Wir sehen so komisch aus, sagen die Jungs. Weiße Hose, weiße Jacke. Silberne Westen bedecken ihre Rümpfe. Wir sind glänzende Weltraumritter.“ Die Autorin liest mit geübter Stimme. Auf eine positive Reaktion des Publikums braucht man nicht lange warten. Eine junge Frau, die durch eine Infektion ihr Bein verliert, gibt dennoch ihre Leidenschaft für das Fechten nicht auf...
Die fremden Klänge einer Maultrommel eröffnen am Donnerstag (30.3.) das Abendprogramm auf der Heimalm. Die Gespräche ebben ab und Lydia Mischkulnig betritt die Bühne. In der titelgebenden Geschichte des Bandes, „Die Paradiesmaschine“ erzählt sie von einer jungen Autorin, die auf der Suche nach Ablenkung durch die Straßen geht und dabei von einer Kosmetikverkäuferin angesprochen wird. Mischkulnig schreibt von Gesalbten und Geschmierten. Der Laptop wird zum intimsten Körperteil der Protagonistin. Das Publikum lässt sich schnell von der satirischen Erzählweise einfangen. Die Anstrengung, die Mischkulnig ihr Text laut eigener Aussage gekostet hat, ist nicht spürbar. Im dynamischen Lesen ihrer Sprachspiele hält sie immer wieder inne und ihr Blick wandert zur Uhr. Wie viel Zeit ist noch?
Lyrische Kurzprosa von Dana Ranga, vorgetragen durch Ines Schütz, setzt die Reise durch den Körper fort. Das darauf folgende Gespräch mit Rangas Ehemann bietet nähere Einblicke in die Hintergründe von „Hauthaus“. Das Hauptthema: die Einheit. Politische ist nicht von wissenschaftlicher, medizinische nicht von religiöser Sprache zu trennen, ebenso wenig wie der Körper vom Geist.
Draußen wird es dunkel. Die Heimalm ist immer noch gefüllt. Fritz Mooshammer leitet mit slawischer Hirtenflöte zu Gertraud Klemm über. Ihr Roman „Muttergehäuse“ berichtet vom Wunsch Mutter zu werden, von den Ratschlägen – den „unerträglichen wohlgemeinten Blödheiten“ wie die Autorin sie nennt, die Frau und Mann erhalten, wenn sich dieser Wunsch nicht erfüllt.
Klemms Text ist eine Gratwanderung. Mal bricht Gelächter im Publikum aus, mal blicken Gesichter betroffen zu Boden. Auch anteilnehmende Seufzer sind zu vernehmen. „Jeder Trottel kann Kinder kriegen – außer uns“, stellt Klemms Protagonistin fest. Ihre Sprache ist beißend, tragikomisch und (selbst-)ironisch. Beim Umblättern atmet Klemm tief ein und seufzt. Dann liest sie weiter. Sie erzählt von den Strapazen, die eine Adoption mit sich bringt und wie es ist, wenn der „Nazigroßvater“ sein afrikanisches „Negerenkerl“ kennenlernt, um anschießend festzustellen, dass der ja gar nicht schwarz, sondern braun sei. Beim begeisterten Publikum scheint Klemm einen Nerv getroffen zu haben. Die abschließende Gondelfahrt führt uns wieder auf den Rauriser Talboden zurück.
Lockere Gesprächsatmosphäre und neue Einblicke liefern die studentischen Arbeitskreise der Unis Klagenfurt und Innsbruck am Freitag (31.3). „Literatur ist Glück“ betont Lydia Mischkulnig immer wieder, während für Gertraud Klemm das Schreiben zunächst eine Art von Therapie ist, auch wenn es, wie sie ironisch anmerkt, eigentlich Kunst sein sollte.
Für DrehPunktKultur berichten aus Rauris Studentinnen und Studenten von Christa Gürtler, die im Rahmen der Lehrveranstaltung „Literaturbetrieb und literarisches Leben in Österreich (Rauriser Literaturtage 2017)“ am Fachbereich Germanistik an den Rauriser Literaturtagen teilnehmen.
www.rauriser-literaturtage.at
Bilder: RLT/Sidonie Spannagel; Margit Marnul; Peter Hintz; detailsinn.at