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Vielleicht passiert irgendwann das Richtige

BUCHBESPRECHUNG / WONNEBERGER / PENSION SEEPARADIES

10/05/24 Lehrer Winkler macht mit Frau Urlaub an der Ostsee. Er hat mit ihr gestritten. Auch mit dem Jugendfreund hat er gestritten. Dann kommt der Bagger. Viel mehr passiert nicht in Jens Wonnebergers neuem Roman Pension Seeparadies – aber zwischen sepiafarbenen Ansichtskarten und angeschwemmtem Treibgut liegt eine präzise Betrachtung unserer gespaltenen Gesellschaft.

Von Christina König

Allen, die genug haben von unserer schnelllebigen Gesellschaft, auf 280 Zeichen verkürzte Botschaften und dem Drang, dass ständig etwas passieren muss, sei Jens Wonnebergers Roman Pension Seeparadies ans Herz gelegt. Er ist zwar nur schmal, verlangsamt aber mit seiner ruhigen, bedächtigen Sprache und seiner an Action oder großen Gesten (im positiven Sinne) armen Handlung unseren Alltag und lässt uns abtauchen – allerdings nicht in eine sehr glückliche Welt.

Der Inhalt ist schnell erzählt: Wir folgen dem vornamenlosen Lehrer Winkler und seiner Frau Britta auf ihrem letzten Urlaubstag an der Ostsee in der Pension Seeparadies.

Ein morgendlicher Strandspaziergang, ein Mittagessen im Gastraum einer Räucherei, abweisende Gespräche mit anderen Gästen, der Beginn von Bauarbeiten in der Pension – keine der Dinge, die Winklers Tag füllen, sind besonders erwähnenswert. Er ist auch kein besonders erwähnenswerter Charakter, im Gegenteil. Er ist ein Eigenbrötler, der keine Hunde mit ihren „dreckigen Pfoten und sabbernden Schnauzen“ mag und Obdachlose als „Sklaven der südosteuropäischen Bettelmafia“ bezeichnet (sie zu kriminalisieren, hilft ihm bei seinem schlechten Gewissen). Am Ende des Romans ist er nicht klüger oder besser geworden. Es hat sich nichts geändert. Warum also sollten wir ihn auf seinen Spaziergängen begleiten?

Interessant sind seine Interaktionen mit anderen Menschen. Sie scheitern, kategorisch. Egal, ob es um seine Begegnung mit einem anderen Pensionsgast am Strand geht, dem er am liebsten ausweichen würde, um das Telefonat mit seinem Sohn, mit dem er nur über das Wetter spricht, oder um die Beziehungen zu seinen anderen Lebensmenschen, seiner Frau und seinem Jugendfreund Jürgen. Mit Britta hat er wegen etwas Banalem gestritten. Er erinnert sich nicht einmal, was es war. Ausgeredet wird nichts. Winkler und Britta suchen einander, finden sich nicht, finden sich doch, umkreisen sich verbal, kommen sich näher und doch nicht richtig nahe. Das Ungesagte ist wichtiger als das Gesagte.

Ungesagt ist auch viel in der Freundschaft mit Jürgen, einem etwas platt gezeichneten Verschwörungstheoretiker, „der immer mit denen mitlief, die gerade dagegen waren“ und der Fotos von überfahrenen Tauben und Ratten in seiner alten Wohnung aufgehängt hat als Beweise für seine pessimistische Weltsicht. Jürgen ist zu sehr vom Leben enttäuscht, um dem Hass zu entkommen, und Winkler schafft den Schritt auf ihn zu nicht – der Anruf bei ihm wird immer wieder verschoben, die Funkstille bleibt.

Wonneberger zeigt den sozialen Bruch, der durch unsere Gesellschaft geht, undramatisch auf. Eine Lösung bietet er nicht, das Auseinanderbrechen der Menschen wirkt fatalistisch. Eine ebenso subtile Düsternis liegt auch in seinen Naturbeschreibungen, die einen großen Teil des Romans ausmachen – keine verklärten, romantischen Beschreibungen allerdings. Vom toten Dachs am Straßenrand über die Rauchfahne eines Laubfeuers, bei der Winkler an Granateneinschläge denkt, bis hin zur Umweltverschmutzung zeigt uns Wonneberger die angeschlagene Natur. Eine Kostprobe: „Im Straßengraben, wie Treibgut von der Monsterwelle einer Sturmflut angeschwemmt, sah er leere Bierdosen, Papierfetzen, eine verbeulte Radkappe und die roten Splitter eines geborstenen Rückstrahlers, die ausgekämmten Haare eines Hundes, ein paar Federn und da, schlaff an einer Diestel hängend, ein milchig-trübes Kondom.“

Der Grundtenor ist ein banges Warten auf die Krise, auf Veränderungen, die keine Verbesserungen bringen. Dafür scheint auch der Bagger zu stehen, der in der Pension Seeparadies kommt, um einen Pool zu graben – eine Metapher für den ewigen Optimierungsdrang unserer heutigen Gesellschaft, der nichts als Lärm und Probleme bringt (hier dargestellt durch einen riesigen Steinbrocken, der die Grabungen behindert). Eine gute Zusammenfassung findet sich gegen Ende des Romans: „Er hoffte, irgendetwas würde passieren und hatte Angst, es könnte das Falsche sein.“

Eine fröhliche Geschichte ist Pension Seeparadies nicht, und man sollte durchaus etwas Geduld für die ausführlichen Beschreibungen mitbringen. Wer sich allerdings darauf einlässt, findet eine lohnende Lektüre, die zum Nachdenken einlädt und die fast trotzige Hoffnung weckt, dass das, was passieren wird, vielleicht doch mal das Richtige sein könnte.

 Jens Wonneberger: Pension Seeparadies. Roman. Müry Salzmann Verlag, Salzburg, 2024. 176 Seiten, 24 Euro – www.muerysalzmann.com

 

 

 

 

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