Wer ist der Vater auf Erden?
IM PORTRÄT / HANNA SUKARE / PETER CARLOS REINELT
02/02/16 „Wer ist der Vater auf Erden, wer ist der Vater im Himmel? Täglich ist etwas von ihnen anwesend, doch die Kinder sehen beide unscharf, verschwommen. Beide Väter sind das Gesetz. Beide wachen über das Leben der Kinder…“ Hanna Sukare erhält für ihren Roman „Staubzunge“ den Rauriser Literaturpreis 2016. Förderungspreisträger ist Carlos Peter Reinelt.
Von Heidemarie Klabacher
„Job. Konzern. Meeting. Assistentin… Keine Rede von Herkunft oder streng religiöser Erziehung: Als Erwachsener tut der Sohn eines evangelisch-freikirchlichen Pastors und einer Flüchtlingsfrau aus Polen so, als habe er mit seinen Eltern nichts zu tun. Neben einer Erzählerin berichten vier Frauen über Matthias Röhricht und seine Herkunftsfamilie.“ Das schrieben wir im Oktober 2015 als Einleitung über die Leseprobe aus dem Roman „Staubzunge“ von Hanna Sukare.
Für diesen Roman erhielt die Autorin und Ethnologin nun den mit 8000 Euro dotierten „Rauriser Literaturpreis“, den das Land Salzburg seit 1972 für die beste Prosa-Erstveröffentlichung in deutscher Sprache“ vergibt.
„In ,Staubzunge‘ wird das Portrait eines ganzen Jahrhunderts gezeichnet, das von historischen Verwerfungen und Traumatisierungen gekennzeichnet ist. In sensibler Weise erkundet das aus unterschiedlichen Erzählperspektiven und Sprechweisen komponierte Buch die Vorgeschichte der Elterngeneration, deren Versagen in ihrer Vorbildrolle nicht plakativ angeklagt wird, sondern die Haupterzählerin zu Recherchen veranlasst, in deren Gefolge sie die aus der Tragödie der Geschichte resultierenden Schädigungen zu begreifen lernt.“ So heißt es in der Begründung der Jury, der Uwe Schütte, Liliane Studer und Anton Thuswaldner angehört haben.
Hanna Sukare wurde 1957 in Freiburg im Breisgau geboren und lebt in Wien. Sie studierte Germanistik, Rechtswissenschaften und Ethnologie. Sie als Journalistin, Falter-Redakteurin und Wissenschaftslektorin tätig. In wissenschaftlichen Studien beschäftigte sie sich mit „dem gesellschaftlichen Fundus des Fremden“. Seit 2001 lebt Sukare als freie Autorin. Es folgten Einladung zum Autorinnenforum Berlin/Rheinsberg (2004), die Nominierung ins Finale Oberösterreichischen Biennale für Literatur Floriana (2006) sowie eine Publikation im Rahmen des schwäbischen Literaturpreises (2007). In den Jahren 2008 bis 2011 führten sie Recherche-Reisen für den Dokumentarfilm Klassentreffen nach Polen.
Noch einmal die Rauris-Jury über die Preisträgerin: „„Das Geschichtsmodell der Hanna Sukare sieht vor, dass niemand verschont bleibt. Jede Zeit schlägt Menschen ihre Wunden, und sie erholen sich dann ein Leben lang nicht davon.“
Der mit 4000 Euro dotierte „Rauriser Förderungspreis“ wird jährlich vom Land Salzburg und der Marktgemeinde Rauris vergeben. Für den Förderungspreis 2016 war das Thema „Zeitraffer“. Carlos Peter Reinelt überzeugte mit seinem Text „Willkommen und Abschied“ die Jurymitglieder Thorsten Ahrend, Christine Haidegger und Christine Riccabona.
„Der Text widmet sich mutig und respektvoll dem Thema Flucht aus mörderischen Verhältnissen und macht die unmenschliche Realität des Weges nach Europa sichtbar, indem er die Leser in die entsetzliche Spannung zwischen erhoffter Rettung und auswegloser Situation in einem Schlepper-Lkw hineinversetzt.“
Carlos Peter Reinelt wurde 1994 in Lustenau in Vorarlberg geboren und studiert Germanistik, Psychologie und Philosophie in Salzburg. Er schreibt vor allem Lyrik - „Willkommen und Abschied“ ist immerhin der Titel eines der berühmtesten Gedichte von Goethe - und Prosa. Derzeit arbeitet er an einem Generationen-Roman, der in seiner Vorarlberger Heimat angesiedelt ist.