Islamisches Morgenland trifft christliches Abendland
IM PORTRÄT / THOMAS M. SCHALLABÖCK
20/03/19 … und das ganz ohne Bomben... Er hat mit „Dulamans Vröudenton“ und „Harmonia Variabilis“ tausend Konzerte in 14 Ländern Europas und Lateinamerikas gegeben und zehntausende CDs verkauft. Minnesänger Thomas M. Schallaböck gastierte jüngst in Baku. „Die uralte Musik Aserbaidschans und die Musik des europäischen Mittelalters haben ihre Wurzeln in der persischen und arabischen Musik.“
Von Heidemarie Klabacher
Die meisten Originalklang-Ensembles haben ihre dem Mittelalter nachgeschneiderten Gewänder abgelegt und treten in gewöhnlicher Konzertkluft auf. Das muss nicht besser sein – und von einem Hauch „Mittelalter“ lassen sich Publikum und Ausführende gerne betören: Mittelalterfeste samt Kranzlstechen und Sängerwettstreit boomen. Und der Boom zieht weite Kreise.
„Baku ist in Europa meist nur bekannt für das Dröhnen der Formel-1-Boliden, die an seiner historischen Altstadt vorbeirasen, doch blickt diese Stadt an der Seidenstraße auf eine aufregende Jahrtausende alte Geschichte zurück, in der auch Musik eine große Rolle spielte“, erzählt Thomas Schallaböck.
Auf Einladung der Österreichischen Botschaft Baku und des Instituts für Germanistik der Aserbaidschanischen Sprachenuniversität gastierte Schallaböck mit Liebesliedern und Musikinstrumenten des Mittelalters in Baku. Er traf Experten für dortige historische Instrumente, besuchte Instrumentenbauer, diskutierte mit Studenten, hielt Vortrag und präsentierte seine eigenen westlichen Instrumente. Konzert- und Fernsehauftritt im Internationalen Mugham Zentrum in Baku und im aserbaidschanischen Kulturfernsehen inklusive.
„Mugham“ ist die authentische aserbeidschanische Volksmusik, eine hochkomplexe vokale- und instrumentale Musizierweise, der geradezu „bewustseinserweiternde“ Wirkung nachgesagt wird. Heute noch höre man in „Konzerthäusern und Lokalen der Stadt Klänge, Rhythmen und Instrumente, deren Geschichte weit in die Vergangenheit reicht“, schildert Schallaböck seine Eindrücke: „Wie auch in Österreich das Mittelalter immer mehr Begeisterung findet, so entdeckt man auch in Baku die alten Kulturschätze wieder für sich, versucht sie zu bewahren und weiterzuentwickeln.“
Im Jahr 2003 erklärte die UNESCO Mugham zum Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Kulturerbes der Menschheit. Das „International Mugham Center“ ist ein architektonisch reizvolles Bauwerk, das in der Grundform dem Zupfinstrument Teer nachempfunden ist, einem der drei zentralen traditionellen Instrumente des Mugham. In der aufstrebenden Hauptstadt der Kaukasusrepublik würden Bildung und Kultur großzügig gefördert, weiß Thomas M. Schallaböck zu berichten. Das dortige Institut für Germanistik habe sich unter dem Engagement von Sieglinde Hartmann, die auch das Engagement des Minnesängers aus Salzburg initiiert habe, in den letzten Jahren zu einer wichtigen Kulturinstitution entwickelt.
Für ihn war es weit mehr als eine Konzertreise, sagt Thomas M. Schallaböck: „Es ist eine Begegnung von Ost und West, eine Begegnung verschiedener Religionen und Kulturen, ein kleiner Baustein für eine Welt der Toleranz und des gegenseitigen Respekts.“ Gerne möchte er mit den Musikerinnen und Musikern der traditionellen Mugham-Musik auch in Zukunft wieder zum Austausch zusammentreffen: „Erstaunlicherweise haben diese uralte aserbaidschanische Musik und die mittelalterliche Musik Europas gemeinsame Wurzeln in der persischen und arabischen Musik.“
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Bild: Schallaböck; UNI Baku/Matzer