Akribie für jede Note Mozarts
TODESFALL / WOLFGANG REHM
07/04/17 Mit seinem Namen ist die neue Mozart-Ausgabe untrennbar verknüpft. „Mit Wolfgang Rehm ist in der Nacht auf den 6. April 2017 der letzte der eigentlichen Gründungsväter der NMA im 88. Lebensjahr verstorben“, meldet die Stiftung Mozarteum.
Wolfgang Rehm hat die Stiftung Mozarteum aber auch als Künstlerischer Leiter der Mozartwoche (1985 bis 1997) und als Mitglied der Akademie für Mozart-Forschung über Jahrzehnte begleitet und geprägt. Rehm wurde 1929 in München geboren. Nach Abschluss seiner Freiburger musikwissenschaftlichen Dissertation über den Komponisten Gilles Binchois ging Wolfgang Rehm 1954 zum Bärenreiter-Verlag nach Kassel, wo er für die neu etablierten Gesamtausgaben-Projekte des Verlagshauses zuständig war. Sein eigentliches Aufgabengebiet war dort bald die Neue Mozart-Ausgabe. Bereits als 25-Jähriger legte er mit den Werken für Klavier zu vier Händen einen der beiden Startbände der Ausgabe vor. Von 1960 an betreute er die Ausgabe als Lektor und leitete sie nach dem Tode des ersten Editionsleiters Ernst Fritz Schmid gemeinsam mit Wolfgang Plath über viele Jahrzehnte.
Im Bärenreiter-Verlag war Rehm als Mitglied der Geschäftsleitung aber auch für andere Ausgaben verantwortlich. Besonders die Neue Schubert-Ausgabe wurde nachhaltig durch ihn geprägt.
Die Editionstätigkeit der NMA nahm unter den beiden Editionsleitern Plath und Rehm nach 1960 Fahrt auf, im Jahr 1967 erschien der fünfzigste, im Jahr 1984 der hundertste Notenband. 1991 kam schließlich die technisch einzigartige Dünndruck-Taschenbuch-Ausgabe heraus, nachdem alle Notenbände aus dem Hauptteil der NMA erschienen waren.
Als Mozart-Editor lagen Rehm Klaviermusik und Bühnenwerke besonders am Herzen, aber es dürfte wohl keinen Band geben, der nicht in die Räume der Editionsleitung gelangte und von ihm vor der Drucklegung nicht mit größter Akribie durchgearbeitet worden wäre. Dabei kümmerte er sich um problematische Lesarten in einer selten gewordenen kritischen Genauigkeit. Ein Anliegen war ihm auch der Kontakt zu privaten Eigentümern von Mozart-Autographen, was, wie er gestand, nicht immer einfach war.
Andere Mitglieder der Editionsleitung schieden wieder aus, Rehm blieb und überlebte den fast gleichaltrigen schriftbeflissenen Kollegen Wolfgang Plath um mehr als zwanzig Jahre.
In den frühen 1980er-Jahren siedelte Rehm von Kassel nach Salzburg um und wirkte hier bis 1994 hauptberuflich als Mitglied der Editionsleitung. Gemeinsam mit Dietrich Berke brachte er 2007, schon im Ruhestand, die Neue Mozart-Ausgabe offiziell zu einem guten Ende. Heute kann die Digitale Mozart-Edition, ein Gemeinschaftsprojekt der Stiftung Mozarteum Salzburg und des Packard Humanities Institutes, Los Altos/California, auf die jahrzehntelange Editionsarbeit der von Rehm geprägten NMA aufbauen. Noch in seinen Siebzigern war Rehm in große Editionsprojekte eingebunden, zuletzt in die siebenteilige Edition Mozarts Operas in Facsimile des Packard Humanities Institute.
Seine Energie und sein Weckruf zum Widerspruch verstummten dann mehr und mehr. Die letzten beiden Lebensjahre verbrachte er, inzwischen verwitwet, fern von Salzburg in der Nähe seiner Verwandten. Die schwarze Fahne werde die Stiftung Mozarteum bei allen Verdiensten um die Einrichtung und Mozart für ihn nicht hissen, heißt es - Wolfgang Rehm habe sich das ausdrücklich verbeten. (ISM)