Mitten im „Gedächtnis der Stadt“
HAUS DER STADTGESCHICHTE / JUBILÄUM
05/10/23 Vor zwanzig Jahren ist das Haus der Stadtgeschichte in der Glockengasse eröffnet worden. Anlass für ein Open House am nächsten Samstag (14.10.) – und natürlich ein Anlass auf eine Vielzahl von Initiativen, die von dieser Institution in den vergangenen zwei Dekaden ausgegangen sind.
Von Reinhard Kriechbaum
Die frühesten Spuren eines Stadtarchivs finden sich bereits im Spätmittelalter. Ein Verzeichnis aus dem Jahr 1515 erwähnt ein Gewölbe im Rathaus, in dem für die Stadt wichtige Schriftstücke aufbewahrt wurden. An dieser Situation sollte sich lange Zeit nichts ändern. Im 19. Jahrhundert übergab die Gemeindekanzlei die Urkunden, Akten und buchförmige Archivalien dem Salzburger Museum Carolino Augusteum (heute Salzburg Museum). Die Unterlagen bildeten dort den Kern des sogenannten (alten) Stadtarchivs im Museum. Jüngeres Schriftgut der städtischen Ämter wurde bis weit ins 20. Jahrhundert wenig fachgerecht in einer Baracke auf dem Gelände der damaligen Riedenburg-Kaserne (heute Wohnanlage Quartier Riedenburg) aufbewahrt.
Erst im Jahr 1988 richtete die Stadt das hauptamtlich geführte „Archiv der Stadt Salzburg“ ein, das von Erich Marx geleitet wurde. Da das Mietgebäude hinsichtlich Raumklima und -nutzung nicht den Ansprüchen eines modernen Archivs entsprach, entschloss sich die Stadt für einen Neubau in der Glockengasse. Das nach Plänen von Architekt Ludwig Kofler errichtete „Haus der Stadtgeschichte“ wurde am 16. Oktober 2003 eröffnet. Unter der Leitung von Peter Kramml wurde das neue Haus als anerkannte Forschungseinrichtung zur Stadtgeschichte positioniert.
Es ist ja nicht nur ein „totes“ Archiv, wo Dokumente und dergleichen „endgelagert“ werden. Durchaus selbstbewusst haben die hier tätigen Historikerinnen und Historiker, seit dem Vorjahr unter der Leitung von Sabine Veits-Falk, für jedes Jahr des Bestehens einen „Meilenstein“ aufgelistet. Zwanzig Meilensteine also.
Wenn es darum geht, Zeitgeschichte aufzuarbeiten, ist das Haus der Stadtgeschichte eine erste Adresse. Gleich acht Bände Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus dokumentieren die akribische Arbeit, die hier geleistet wurde. Eine Nebenfront zum gleichen Thema ist das Dokumentieren und Informieren über NS-belastete Namensgeber von Straßen und Plätzen. Seit 2015 ist das Stadtarchiv für die Erläuterungstafeln der Straßennamen zuständig. Auf mehr als 1.100 Seiten wedren die Biographien von Straßennamensgeber und -geberinnen aufgelistet.
Ein wichtiges abteilungsübergreifendes Projekt sind die Quartiersdialoge und Stadtteilgeschichten: Perspektiven und historische Entwicklungen verschiedener Stadtteile werden untersucht.
„Wissensvermittlung ist ein grundlegender Fokus der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, erklärt Sabine Veits-Falk, die seit 2001 im Stadtarchiv Salzburg beschäftigt ist. „Mit Führungen und Workshops wird die Stadtgeschichte an Jung & Alt vermittelt, Vorträge informieren über neue Inhalte zu Geschichte und Gegenwart von Salzburg.“ Das moderne Gebäude ist also „nicht nur Speicher, sondern auch lebendiger Ort der Wissensvermittlung.“
Die Forschungsschwerpunkte von Sabine Veits-Falk sind Armutsgeschichte, Geschlechtergeschichte, Stadtgeschichte und Vergleichende Regionalgeschichte. Frauen- und Geschlechtergeschichte ist logischerweise nicht erst im Fokus, seit sie am 1. November des Vorjahres die Leitung des Stadtarchivs und damit des Hauses der Stadtgeschichte übernommen hat. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchvis werfen einen gendersensiblen Blick auf die Vergangenheit und Gegenwart der Stadt.“ Im Migrationsarchiv der Stadt Salzburg wird Migrationsgeschichte ausführlich durch Interviews, Fotos und Dokumente sichtbar gemacht.
Das Stadtarchiv besitzt rund eine Million Fotodokumente, davon rund 18.000 Glasplattennegative. Die Fotosammlungen dokumentieren die Veränderungen der Stadt seit dem 19. Jahrhundert. Zu den wichtigsten Beständen zählen das Fotoarchiv des renommierten Ateliers Würthle und die Fotonachlässe von Carl von Frey oder Josef Kettenhuemer. Eine moderne Restaurierwerkstätte leistet Erste Hilfe für Papier, Pergament, Wachs und Leder.
Das Haus für Stadtgeschichte ist auch Bibliothek und Amtsbücherei. Etwa 60.000 Bücher, Zeitschriften und Zeitungen zur Stadt Salzburg finden sind hier greifbar. „Für den magistratsinternen Gebrauch werden Bücher, Publikationen und Gesetzestexte über die Amtsbücherei zur Verfügung gestellt.“ Leiter der Stadtstatistik ist Hans-Peter Miller - auch aus dessen Bereich kommen regelmäßig Publikationen.
Des Sammelns und Aufbewahrens ist kein Ende: Jedes Jahr werden 20.000 magistratsinterne Akten in die Registratur übernommen. Manche dieser Akten werden dann auch wieder angeschaut. Beispielsweise werden pro Jahr rund 1.500 Einsichtnahmen der Bauakten der Stadt verzeichnet.
Am 14. Oktober wird es Führungen durch das Haus in der Glockengasse, das Stadtarchiv und Statistik beherbergt. In einer Ausstellung im Foyer des Hauses werden Highlights aus den Beständen des Archivs gezeigt, beispielsweise mittelalterliche Urkunden, ausgewählte Archivalien ab dem 16. Jahrhundert und alte Stadtpläne sowie Fotos. Die Statistik präsentiert die Stadt in Zahlen. Auf einem Bücherflohmarkt werden Veröffentlichungen aus der Schriftenreihe des Archivs angeboten. Der Verein Spektrum lädt Kinder und Jugendliche unter anderem zu einer Reise durch die Zeit ein und es gibt für die Jugend eine Graffiti-Workshop.