asdf
 

Die Kompetenten täten beraten, wenn man sie ließe

IM WORTLAUT

24/04/20 Wer sind die Krisen-Berater der Regierung? Die Frage wird immer lauter, und gerade was Kunst und Kultur anlangt, wächst der Eindruck von Weltfremdheit, um das Wort Hemdsärmeligkeit zu vermeiden. Die sechs Universitäten der Künste haben am Donnerstag (23.4.) einen Offenen Brief an die österreichische Bundesregierung gerichtet, den wir hier im Wortlaut wiedergeben. Natürlich ist auch Elisabeth Gutjahr, Rektorin der Universität Mozarteum, eine der Unterzeichnerinnen.

Die österreichischen Kunstuniversitäten haben einen gesellschafts-, kultur- und bildungspolitischen Auftrag. Als verantwortliche RektorInnen sind wir aufgrund der derzeitigen COVID-bedingten Entwicklungen des Kunst- und Kultursektors in großer Sorge, dass diese den gesamten Bereich nachhaltig zu beschädigen und Kulturschaffende in existenzielle Not zu stürzen drohen. Wir rufen die gesamte Bundesregierung dringend auf, den Kunst- und Kultursektor mit der gleichen Sorgfalt zu behandeln wie die übrigen gesellschaftlichen Teilbereiche.

Der Kunst- und Kultursektor ist nicht nur der zentrale Pfeiler unseres Selbstverständnisses als Kulturstaat,

– er ist ein großer Wirtschaftsfaktor (mit ca. 6 Mrd. € jährlicher Wertschöpfung), von dessen Qualität und Vielfalt große Teile der Realwirtschaft existenziell abhängen,
– er ist mit Sicherheit ebenso relevant für die „Standortqualität“ Österreichs, wie die Bildungs- und die Verkehrsinfrastruktur,
– er bietet mehr als 100.000 Personen Beschäftigung, die von den Auswirkungen der Covid-Krise überaus hart betroffen sind, und
– er ist nicht zuletzt jener Sektor, der unverzichtbar ist für das Funktionieren einer lebendigen Gesellschaft, die aus Menschen mit unterschiedlichen Interessen, Ansprüchen, Träumen, Hoffnungen, Ängsten und Wahrnehmungen besteht, einer Gesellschaft, die mit Widersprüchen und Gemeinsamkeiten jenseits technokratischer Mechanismen konstruktiv und sozial verträglich umgehen muss.

Wir wollen daher Vorschläge für das Jetzt mit Blick auf das Morgen machen, damit Österreichs Kunst- und Kultursektor auch weiterhin eine wichtige gesellschaftliche und wirtschaftliche Rolle im und für den Kulturstaat Österreich haben kann.

In diesem Sinne adressieren wir aus unserer Kompetenz heraus folgende essentielle Forderungen an die gesamte Bundesregierung. Sie wissen aus Ihrer täglichen Arbeitserfahrung wohl am besten, dass angesichts der Komplexität der aktuellen Herausforderungen die Zuständigkeiten der einzelnen Mitglieder der Bundesregierung stärker miteinander verflochten sind, als der bloße Text des Bundesministeriengesetzes vermuten ließe.

Deshalb richten wir diesen Appell an die gesamte Bundesregierung, denn ein wirkungsvolles und zeitgerechtes Handeln erfordert jedenfalls ein konstruktives Zusammenwirken vieler Beteiligter. Wir wollen dieses Zusammenwirken im Rahmen unserer Möglichkeiten auch gern aktiv unterstützen, indem wir unsere Expertise bei der konkreten Umsetzung der nachstehenden Dringlichkeitsmaßnahmen zur Verfügung stellen:

– Sofortige Sicherstellung und Auszahlung der materiellen Existenzgrundlage für freiberuflich oder als EPU tätige Kulturschaffende und für gemeinnützige Kulturvereine jedenfalls bis zum Jahresende 2020,
– Ausfallshaftung des Bundes für finanzielle Einbußen all jener Kulturstätten, die aufgrund der Verordnungen im Zusammenhang mit COVID-19 geschlossen oder ihre Ticketkontingente reduzieren müssen,
– Finanzierung von Sonderprojekten in öffentlichen Kulturinstitutionen für KünstlerInnen unter 35,
– Steuerbefreiung von Kunstankäufen und Künsterlnnenhonraren bis Jahresende 2021 (bis zu einem noch zu definierenden Höchstbetrag)

Die österreichischen Kunstuniversitäten halten diese sicher noch nicht abschließend dargestellten Maßnahmen für unverzichtbar, um irreparable Schäden für den Kunst- und Kultursektor abzuwenden. Speziell die noch nicht etablierten KünstlerInnen brauchen besondere Unterstützung. Wir laufen sonst Gefahr eine ganze Generation zu verlieren, die aufgrund ihrer Karrierephase noch weniger auf finanzielle Reserven zurückgreifen können, als etablierte KollegInnen.

Wir bauen in unseren Häusern auf breite Kompetenz in Lehre und Forschung sowie viele Jahre Erfahrung in der Entwicklung und Sicherung von Kunst und Kultur in Österreich. Mit dieser Expertise stehen wir jederzeit sehr gerne den Mitgliedern der Bundesregierung und ihren Stäben beratend in geeigneter Form zur Verfügung, mit Blick auf große Zusammenhänge, Detailplanungen, Folgenabschätzung geplanter Maßnahmen und anderes mehr.

Die Rektor_innen der österreichischen öffentlichen Kunstuniversitäten:
Gerald Bast (Universität für angewandte Kunst Wien) / Elisabeth Gutjahr (Universität Mozarteum Salzburg) / Johan F. Hartle (Akademie der bildenden Künste Wien) / Brigitte Hütter (Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz) / Georg Schulz (Universität für Musik und darstellende Kunst Graz) / Ulrike Sych (mdw-Universität für Musik und darstellende Kunst Wien)

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014