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Keine Religion, wenigstens Ethik

HINTERGRUND / ETHIKUNTERRICHT

09/01/20 Wie sich doch die Zeiten und Perspektiven ändern: Vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren standen die katholischen Bischöfe dem Ethik-Unterricht mehr als reserviert gegenüber. Jetzt wird dessen Einführung, wie sie nun im Regierungsprogramm festgeschrieben ist, von der Kirche ausdrücklich begrüßt.

Von Reinhard Kriechbaum

Es sind ja in den Klassenzimmern unterdessen auch ganz andere Voraussetzungen gegeben: Vor einem Vierteljahrhundert saßen so gut wie ausschließlich christlich getaufte Jugendliche in den Klassenzimmern. Die Abmeldung vom konfessionellen Unterricht war möglich und auch insofern ein Anreiz, als die Schülerinnen und Schüler so Freistunden bekamen. Die zuerst punktuelle Einrichtung des Ethikunterrichts auf Schulversuchsbasis hätte und hat weiteren Anreiz geboten, dem „klassischen“ Religionsunterricht Adieu zu sagen. Deshalb wurde der Ethikunterricht vor allem von der katholischen Kirche mit äußerstem Misstrauen beäugt.

Mittlerweile haben sich vor allem im urbanen Raum und da besonders an den Mittelschulen die Prämissen vollständig geändert. An gewissen Schulen ist nicht einmal mehr die Hälfte der Jugendlichen christlich getauft. „Gerade in Hinblick auf die zunehmend größer werdende Gruppe der Jugendlichen ohne religiöses Bekenntnis ist rasche Einführung des Ethikunterrichts für Schülerinnen und Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, sinnvoll und notwendig“, so dieser Tage der in der österreichischen Bischofskonferenz für Schulbelange zuständige Wilhelm Krautwaschl.

„Bildung ist für unsere Gesellschaft von fundamentaler Bedeutung. Es ist schön zu sehen, dass ihr auch im vorliegenden Regierungsprogramm ein so hoher Stellenwert eingeräumt wird“, so der „Schulbischof“ Krautwaschl. „Bildung ist grundlegend für Integration, friedliches Zusammenleben und gesellschaftliche Solidarität. Das Regierungsprogramm erkennt an, dass der Religionsunterricht dazu einen wertvollen Beitrag leistet“, betont der Grazer Diözesanbischof. Die geplante Einführung des Ethikunterrichts für alle Schülerinnen und Schüler, die an keinem konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen, sieht er deshalb positiv.

Die Bildungsverantwortlichen der katholischen Kirche in Österreich begrüßen dezidiert die im geplanten Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen vorgesehene Einführung des Ethikunterrichts für Schülerinnen und Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen. Das ist also eine Wendung um 180 Grad.

Andrea Pinz, die geschäftsführende Leiterin des Interdiözesanen Amtes für Unterricht und Erziehung, sieht inhaltlich zwischen Religions- und Ethikunterricht große Schnittmengen.

„Die Vermittlung ethischer Bildung gehört zu den Kernaufgaben der Schule. Für viele Schülerinnen und Schüler wird dieser Auftrag im Religionsunterricht erfüllt, weil er ethische Fragen behandelt, ohne sich darin zu erschöpfen.“ Die gute Zusammenarbeit zwischen Religions- und Ethikunterricht an den einzelnen Schulen zu fördern sei wesentlich, „damit für jeden jungen Menschen religiöse und ethische Bildung gewährleistet“ sei. Die im Regierungsprogramm vorgesehene Entwicklung eines Lehramtsstudiums für den Ethikunterricht mit Anrechenbarkeit von bestehenden Aus- und Weiterbildungen sei dafür ein sehr guter Schritt.

Die katholischen Schulverantwortlichen bekennen sich auch zur Weiterentwicklung innovativer Formen eines dialogisch-konfessionellen Religionsunterrichts, in dem mehrere christliche Kirchen zusammenarbeiten.

 

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