„Herzliche Stunden“ in illustrer Gesellschaft
HINTERGRUND / STOLPERSTEINE / STEFAN ZWEIG
19/08/16 Heute Freitag (19.8.) wurden auf dem Kapuzinerberg, vor dem Eingang zur Zweig-Villa, vier Gedenksteine verlegt: für den Schriftsteller, seine erste Frau und deren beide Töchter. Derzeit liegen 310 solcher Erinnerungssteine im Stadtgebiet von Salzburg. 46 kommen dieser Tage dazu.
Erstaunlich eigentlich, dass man erst jetzt einen Stolperstein für den Stefan Zweig setzt (in Salzburg werden seit 2007 diese 10 mal 10 Zentimeter kleinen metallenen Plaketten verlegt. Zweig ist schließlich das bei weitem prominenteste jüdische Opfer in Salzburg. Er ging ins Exil und endete in Brasilien durch Selbstmord. Der spät gesetzte Gedenkstein hat wohl damit zu tun, dass „Prominenz“ kein Kriterium ist, geht es bei der Stolperstein-Initiative ja vor allem darum, an die Namenlosen und ihre Biographien zu erinnern.
Namenlos war Stefan Zweig beileibe nicht: „Mit wem haben wir dort nicht herzliche Stunden verbracht, von der Terrasse hinausblickend in die schöne und friedliche Landschaft, ohne zu ahnen, dass gerade gegenüber auf dem Berchtesgadener Berg der eine Mann saß, der all dies zerstören sollte? Romain Rolland hat bei uns gewohnt und Thomas Mann...“ Das schrieb Stefan Zweig nach seiner Emigration.
Dass er Salzburgs einmal als „der größten Nazi-Stadt Salzburg“ gedenken werde, hat er wohl nicht geahnt, als er seine Lebenspartnerin und künftige Frau, Friderike Winternitz, im Herbst des Kriegsjahres 1917 eilends nach Salzburg schickte, auf dass sie hier erkunde, ob der in Inseraten angebotene „vornehme Herrensitz“ auf dem Kapuzinerberg tatsächlich jenes inmitten von Bäumen stehende Schlösschen sei, das sie bei ihrem ersten gemeinsamen Aufenthalt in Salzburg bestaunt hatten. Rasch wurde der Kaufvertrag unterschrieben für die 7816 m² große Liegenschaft Kapuzinerberg 5 mit Haus, Garten und Wald. 90.000 Kronen in bar musste Zweig dafür auf den Tisch legen. Sein künftiges Refugium entpuppte sich als Sanierungsfall, ein kaputtes Dach und anderes mehr, wie sich bei der Besichtigung im November 1917 herausstellte. Frau Winteritz, ab 1920 Frau Zweig, erwies sich als zielstrebige Hausrenoviererin. Ab März 1919 lebte man im einstigen Jagdschlösschen der Fürsterzbischöfe, auch Paschingerschlössl genannt. Zweig hatte sogar bald ein Telefon – mit Nummer 598 bekam man ihn an die Strippe.
Stefan Zweig, absolut nicht der geborene Familienmensch („Stefzi“ war sein Kosename als Ziehvater) sprach von „Salzburgerei“, wenn sich seine Frau und seine Stieftöchter wieder einmal nach seinem Empfinden zu sehr am Gesellschaftsleben in der Stadt beteiligten.
Dass in Deutschland bis zum Gewaltjahr 1933 über 1,3 Millionen Bücher von Stefan Zweig verkauft und seine Werke damals bereits in mehr als zwei Dutzend Sprachen verbreitet wurden, hat man am ort nicht wahrgenommen. Sehr wohl aber, dass Zweig Jude war. Er emigrierte nach einer Hausdurchsuchung 1934 (die Nazis suchten, natürlich vergeblich, nach Waffen des Republikanischen Schutzbundes). Im Exil heiratete Zweig nach der Scheidung 1939 seine Sekretärin Lotte Altmann. Auch Friderike Zweig, die noch in Salzburg geblieben und ins Nonntal übersiedelt war, war damals bereits im Exil.
Zweigs letzter Salzburg-Aufenthalt war im Mai 1937, anlässlich des Verkaufs des Hauses auf dem Kapuzinerberg. Da wohnte er im Hotel Traube in der Linzergasse. Seine Autografensammlung hatte Zweig bis dahin großteils verkauft und die ihm verbliebenen Autografen, wertvollen Bücher, seine Beethoven-Reliquien wie Sekretär, Schreibpult, Geldkassette und Haarlocke nach London schicken lassen. Das Gästebuch des Hauses Kapuzinerberg 5, wo die Zweigs fünfzehn Jahre wohnten, ging verloren, als die Gestapo 1940 Vermögen und Wertsachen von Friderike Zweig beschlagnahmte.
Seiner ersten Frau Friederike ist Stefan Zweig nur noch einmal, 1941 in new York, begegnet. Sie überlebte ihn lange: friderike Zweig starb 1971, die Töchter 1986 bzw. 1998. Sie alle lebten in den USA.