Bäder, Bordelle – wo bleibt Bi oder Bü?
GASTKOMMENTAR
Von Christina Repolust
04/05/20 Lesen ist eine stille Arbeit, eine leise Tätigkeit. Das Auswählen von Medien und deren Verleih machen auch wenig Lärm. Vielleicht kommen sie wegen ihres geringen Geräuschpegels derzeit in Medienberichten über demnächst öffnende Einrichtungen selten vor. Maibaumaufstellen, laut, da spielt die Musi. Freibäder, da wirbeln die alten und jungen Körper freudig zu Wasser und zu Lande und es riecht heimelig nach Sonnencreme. Bordelle? Denken Sie sich doch selbst etwas dazu!
Vielleicht liegt es ja an diesem Leise-Sein des Ortes Bibliothek, dass sich in jeder Wiedergabe der Verordnung zu Covid-19 vom 1. Mai in diversen Medien das Schwimmbad und dann das Bordell in der Aufzählung findet, während das Bi oder Bü für Bibliothek/Bücherei dazwischen fehlt.
Viele Lesende und auch sonst Nicht-Lesende riefen gleich nach der Schließung der Bibliotheken danach, den Lesestoff freizugeben, auszuliefern, rauszurücken. Ja, klar, es gibt die kostenlose Onleihe für jeden, der jetzt lesen will. Doch das haptische Erleben, so die nach Lesestoff Schmachtenden, das gehe ihnen schon sehr ab. Auf einmal waren Frauen mit Büchertaschen – kontaktlose Auslieferung des begehrten Bildungsgutes – gut ins Bild zu setzen. Gleich nach dem Klo-Papier kommt das Buch aus der Flohmarktkiste.
Die Bibliothek Saalfelden hat seit Mitte März geschlossen und die Lesung mit Autor Daniel Wisser im Wonne-Literatur-Lesemonat April (Andersentag und Welttag des Buches) per Zoom abgehalten. Eine neue Erfahrung für den Autor, seine Zuhörer und Zuhörerinnen und das Bibliotheksteam. Bibliotheksleiterin Sabine Aschauer-Smolik: „Wir haben jetzt eine erste Lesung für Kinder auch über Zoom gemacht, die Stimme war den angemeldeten dreizehn Kindern ja vertraut.“ Nettes Detail am Rande: Daniel Wisser übersandte Autogrammkarten an die örtliche Buchhandlung, so gelangen die Interessierten zu einer Art signiertem Buch. Werden sie wohl nie vergessen!
Jutta Fuchs, Leiterin der Öffentlichen Bibliothek Henndorf, hat im home-office ein Handbuch für ihre Mitarbeiterinnen verfasst: „Wenn ich erkranken sollte, haben meine MitarbeiterInnen hier alle wesentlichen Informationen parat.“ Sabine Aschauer-Smolik (Bibliothek und Bildungszentrum Saalfelden), Elisabeth Mayer (Bibliothek Elixhausen), Janet Ehrenleitner (Seekirchen), Daniela Baehr (Erentrudisbibliothek Herrnau), Jutta Fuchs (Bibliothek Henndorf) und Christine Hödlmoser (Bibliothek Abersee) sind sich – wie zahlreiche weitere BibliotheksleiterInnen – einig: „Wir haben uns an die Vorgaben gehalten und in der Zeit von Schließung/Betretungsverbot gemeinsam mit unseren Teams „Bibliothek neu gedacht“: Wie viele MitarbeiterInnen brauchen wir pro Öffnungszeit, wie arbeiten wir in Schichten. Was passiert, wenn eine Mitarbeiterin covid-19 positiv getestet ist, wie handhaben wir die Hygienevorschriften und vor allem: Wie kommunizieren wir diese Form des Entlehnmodus und Neuinterpretation des Begriffs „Öffnungszeit“ unseren LeserInnen.“
Nach derzeitigem Stand öffnen Öffentliche Bibliotheken/Büchereien ab Mitte wieder. „Ich bin die Jüngste im Team, daher übernehme ich die Ausleihen“, erklärt Daniela Baehr die Arbeitsteilung zwischen Entleih und back-office. Ja, für diese stillen Orte wird auch seit der Schließung Mitte März vom home-office aus bzw. auch an Ort und Stelle sehr intensiv gearbeitet!
Und das kann man gar nicht oft und laut genug sagen.