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KuKuSpoSiG

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

29/04/20 Heute Mittwoch (29.4.) wurde vom Nationalrat beschlossen, dass Veranstalter in Covid-19-Zeiten Ticketpreise nicht unbedingt zurückzahlen müssen, sondern bis zu 70 Euro in Form von Gutscheinen für sich retten können. Das wird von der Politik als „Erleichterung für Veranstalter von Kunst-, Kultur- und Sportereignissen“ verkauft. Gezielte Augenauswischerei.

Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz , kurz KuKuSpoSiG,heißt das geduldige Papier. Es sieht also die Möglichkeit für Kulturveranstalter vor, sich durch die Ausgabe eines Gutscheins vorübergehend von der Rückzahlungspflicht zu befreien. Falls der Konsument den Gutschein nicht einlöst, wird das Zurückzahlen des Kartenpreises für den jeweiligen Veranstalter erst bis Jahresende 2022 fällig.

Das ist nun tatsächlich eine tolle Option für Veranstalter: Ihr Berufsrisiko wird nämlich fürs Erste auf den Kunden abgewälzt. Sich mit einem Gutschein abspeisen lassen zu müssen, heißt für jene, die ein teures Ticket erworben haben, nämlich: Sie lassen sich nolens volens als Kunden an den Veranstalter binden. Oder sie gewähren dem Veranstalter ihm schlechtesten Fall ein zinsenloses Darlehen. Dieses dann zurückzufordern, ist obendrein Sache des wohlmeinenden Kartenkäufers: Die Gutscheine seien „auf Aufforderung bis bis 31.12.2022 in Geld einzulösen“, bestimmt das KuKuSpoSiG. Also Gutschein gut aufheben!

Die Detailregelung klingt überhaupt ein wenig verschwurbelt: Die Gutschein-Option, die also der Veranstalter dem Kunden ohne Nachzufragen aufs Aug drücken kann, gilt für Karten bis zu 70 Euro. „Bei einem höheren Eintrittspreis haben die BesucherInnen zusätzlich zum Gutschein das Recht auf Barerstattung des Differenzbetrags, maximal jedoch 180 Euro“, heißt es in einer Aussendung des Pressediensts der Parlamentsdirektion.

Die Regierungsparteien, aber auch die NEOS sehen darin eine Kompromisslösung, die die Veranstalter vor drohender Insolvenz bewahrt. Von „fairer Riskoverteilung“ sprach Staatssekretärin Ulrike Lunacek in der Parlamentsdebatte. Ein Schelm, dem dazu das Wort Chuzpe einfällt. Für die Grünen sprach Eva Blimlinger von einem „Kompromiss zwischen Veranstaltern und TicketkäuferInnen, der möglichst vielen Menschen eine gewisse Sicherheit sowie Refundierung“ biete. Die SPÖ hat (vergeblich) Ausnahmen für Minderjährige und GIS-Befreite eingeklagt. Deren Kultursprecher Thomas Drozda kann sich aber mit dem Sondergesetz offenbar durchaus anfreunden, es komme „angesichts des desaströsen Zustands der Branche um sechs Wochen zu spät“.

Wem wird nun tatsächlich geholfen? Absolute Gewinner sind jene Agenturen, die Popkonzerte und dergleichen ausrichten. Die 70-Euro-Grenze für Gutscheine geht vermutlich auf ihr Lobbying zurück. Für die freie Szene sind 70 Euro ja ein utopisch hoch anmutender Eintrittspreis. Für kleine Kulturvereine und -veranstalter ist bestenfalls eine kleine Erleichterung zu erwarten. Gutscheine auszustellen, wird ihnen unter dem Strich wenig bringen: Kaum jemand wird Eintrittskarten für Veranstaltungen der freien Szene auf Wochen im Voraus bestellt und gar schon bezahlt haben. Was sich die vielen „Kleinen“ und „Freien“ mit den Gutscheinen einhandeln, ist also wenig Bares, aber (so es tatsächlich nennenswerte Rückzahlungen gibt) organisatorischer und eventuell auch buchhalterischer Aufwand.

Eines kann man dem Gesetzgeber aber nicht vorwerfen: dass er sich selbst ein Körberlgeld von Publikumsseite sichere. Einrichtungen der öffentlichen Hand, also beispielsweise die Landes- und Bundestheater, sind nämlich nicht von der Sonderregelung des KuKuSpoSiG erfasst, dürfen also keine Gutscheine ausstellen. Auch Veranstalter, für die die öffentliche Hand haftet, sind ausgenommen. Die Salzburger Festspiele werden wohl keine Gutscheine ausstellen dürfen.

Besteht Rechtssicherheit? Peter Kolba, Obmann des Verbraucherschutzvereines (VSV), schäumt: „Was im Dornröschenschloss des Justizministeriums erdacht wurde, wird in der Praxis viel Chaos schaffen. Überrumpelung von Verbrauchern, Bürokratie in der Abwicklung und Gutscheinkriminalität drohen.“

Ein juridisches Problemfeld: Man darf auch Gutscheine für mehr als 70 Euro entgegennehmen. Damit verschwimmt die Grenze zwischen den Covid-19-Gutscheinen und üblichen Geschenk-Gutscheinen. Die jetzt ausgegebenen Gutscheine sind auch übertragbar. Der Verbraucherschützer Peter Kolba sieht einen Tauschhandel kommen: „Tausche zwei Gutscheine für abgesagtes Ostbahnkurti-Konzert gegen eine Schnitzelsemmel.“ Im Notfall sollte sich für zwei Ostbahnkurti-Tickets eine Jahresration an Schnitzelsemmeln ausgehen. Aber wir wissen ja längst: In Kunst- und Kulturfragen reden rundum Menschen durcheinander, die herzlich wenig Ahnung haben von der Wirklichkeit.

 

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