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So spannend wie unaufgeregt

FESTSPIELE / KAMMERKONZERT

18/08/23 Es wäre nicht András Schiff, würde er nicht auch für Spätwerke von Schubert nach dem best passenden pianistischen Werkzeug suchen. Für die beiden Klaviertrios, die zu Schuberts Schwanengesängen rechnen, hat er ein ihm gehörendes Instrument ausgeborgt.

Von Reinhard Kriechbaum

Wie das? Der Hammerflügel von Franz Brodmann, Wien um 1828, gehört András Schiff, aber er hat ihn dem Beethoven-Haus Bonn überantwortet. Für das Konzert am Donnerstag (17.8.) im Großen Saal des Mozarteums kam die Leihgabe also zurück. Schiffs Partner waren Erich Höbarth (Violine) und Christophe Coin (Violoncello). Also quasi das halbe Quatuor Mosaiques. Ist es bei Leuten in den Sechzigern schon erlaubt, von „Legenden“ in der Kammermusikszene auf alten Instrumenten zu sprechen?

Eine aufschlussreiche Konstellation jedenfalls für Schuberts Trio in B-Dur D 898 und jenes in Es-Dur D 929. Schiff ist ja nicht der Originaltöner-Szene zuzurechnen, aber er ist immer offen und neugierig für idiomatischen Klavierklang der jeweiligen Epoche. Gerade bei Schubert – werkten doch damals Dutzende Klavierbauer in Wien zeitgleich an der mechanischen und klanglichen verbesserung des Instruments. Der Brodmann-Flügel ist da gewiss eine Kostbarkeit, längst entwachsen den „Kinderkrankheiten“ des Hammerflügels. Und doch eben in seiner grundsätzlichen Weichheit, seiner Elegance im Bassbereich und der schmeichlerischen Leichtigkeit im Diskant ein Instrument mit Eigenart und Eigenleben. Schiffs Vermögen, auch exponierte Läufe und aufspritzende Verzierungen so zu spielen weiß, als ob jedes Hämmerchen mit einer doppelten Schicht Filz belegt wäre, wird gerade auf diesem Flügel besonders greifbar.

Nun ist also schon angedeutet: Die wesentlichen Impulse an diesem Abend gingen vom Ältesten in der Runde, dem bald siebzigjährigen Sir András aus. Streicherseitig hatte Christophe Coin am Cello nicht nur tonlich die bessere Ausgangslage, seine Beiträge amalgamierten auch besonders gut mit den Klavier-Bässen. Dieses Fundament, immer wieder tänzerisch motivierend, war eine wesentliche Triebkraft einer ganz „ungetrieben“ wirkenden, sich quasi gelöst entfaltenden Wiedergabe. So spannend kann unaufgeregtes Musizieren sein.

Wo anfangen mit dem Aufzählen von Besonderheiten? Die feine Detailarbeit im Andante-Satz des B-Dur-Trios eröffnete eine einprägsame Innenschau. Da heben Klavier und Violoncello im Bicinium an. Nachdem sich die Geige eingemengt hat, tragen die Partner oft ganz eng gesetzte Imitationen bei. Wie Schlagschatten wirken diese melancholischen Eintrübungen.

Ganz beim Wort nahm man Andante des Schwesterwerk den Tempozusatz „con moto“. Also jedenfalls das Gegenteil von langsam. Fast folkloristisch befreiend wirkte da die Episode, in der erstmals die Geige die Themenführung übernimmt – ein Effekt, den später auch das Cello weidlich aus nützt. Geradezu magisch-abgründig am Ende, wenn das Klavier ein paar Akkorde lang auffällig in Dur-Harmonien umschwenkt, aber diese helle Kurzzeit-Stimmung chromatisch unterlaufen wird von den Streichern.

Es wäre wiederum nicht András Schiff, wären nicht sämtliche Wiederholungszeichen eingehalten worden. Darauf hat er das Publikum auch eigens hingewiesen. Die himmlischen Längen bei Schubert... eh schon wissen. Und das Finale des Es-Dur-Trios spielte man in der ursprünglichen Gestalt. Die sei, so Schiff, doppelt so lang wie der Erstdruck. Oh ja, ein Neunzehn-Minuten-Satz ist nicht nur zumutbar, sondern kann die Zuhörer verführen. Kein Hüsteln, keine andere Form von Ungeduld auf Zuhörerseite. „Allegro moderato“ – diese Anweisung hat man ernst genommen, ließ sich eins ins andere entwickeln, wie aus dem Augenblick heraus erfunden. Schiff fand immer aufs neue wunderbar flauschige Umspielungen des Hauptthemas – nicht die Spur von Jenseitigkeit, von Larmoyanz schon gar nicht. Großer Jubel.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli
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