Ich möchte nichts Neues und Originales ausstellen
MUSEUM DER MODERNE MÖNCHSBERG / RÄUME SCHAFFEN
21/10/16 „Was wünscht sich der Mensch heute von ‚Raum’?“, fragt Sabine Breitwieser, die Direktorin des Museums der Moderne. In unseren Tagen mit Migration, Flucht und Asyl vor allem „Sicherheit“. Und damit bekommt die das Ausstellungsthema „Räume schaffen“ Vielschichtigkeit und brennende Aktualität.
Von Heidemarie Klabacher
Am „Raum“ kiefeln die Künstler seit der Renaissance: Damals galt es, sich den Raum mit den Mitteln der Zentralperspektive zu erobern. Diesen Aspekt lässt man im Museum der Moderne aus. Verständlich, aber eigentlich schade. Irgendwann hieß es, sich neben den Wänden auch Decke und Boden zu erarbeiten, in den öffentlichen Raum hinaus zu treten und schließlich auch die Medien zu erobern: Die Geschichte des „Raums“ in künstlerischer, gesellschafts-politischer oder soziologischer Betrachtung ist immer auch eine Geschichte der Kunst.
Aspekte davon beleuchtet die Schau „Räume schaffen“: „Das Museum der Moderne lenkt den Blick auf die Auseinandersetzung von Künstlerinnen und Künstlern mit architektonischen, institutionellen und sozialen Räumen“, sagt die MdM-Direktorin Sabine Breitwieser. „Die Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, sich auf neun Räume und die darin präsentierten Werke einzulassen.“ In der Auswahl aus den hauseigenen Sammlungen stehen Neuerwerbungen aus den Beständen der Generali Foundation im Zentrum, betonte Breitwieser heute Freitag (21.10.) bei der Pressepräsentation. In die großzügigen Räume der Ebene 2 wurden neue - größere, kleinere und kleinste - Räume eingeschrieben.
Einer der zurückhaltendsten und zugleich bewegendsten dieser Räume gilt – mit vier bewegenden Bildtafeln und der Arie „Erbarme Dich, mein Gott“ aus der Matthäus-Passion von Bach – im weitesten und abstraktesten Sinne dem Thema „Migration“.
Sind die für die Audio-Foto-Installation fotografierten indigenen Stammes-Angehörigen zu sehen als eigenständige Individuen mit Kultur und Geschichte - oder als künftige Flüchtlinge, Ertrunkene im Mittelmeer, Abgewiesene an den Grenzen, lästige Asylwerber. Oder die fröhliche Gruppe im Schnee, die um den Tisch versammelte Großfamilie - was war ihr Los? Die Serie „Safe #1-4“ von Adrian Piper aus 1990 ist nur ein Aspekt der großangelegten Werkschau der 1948 in New York geborenen Künstlerin.
Von einer „besonderen Konserve des Kolonialismus“ spricht der 1944 in Deutschland geborene Lothar Barumgarten: Er hat 1968 bis 1969 fotografiert - im „Pitt Rivers Museum“ in Oxford, einem geradezu museumsreifen Ethnographischen Museum. 81 Diapositive inklusive einem Schwarzdiapositiv ergeben eine beklemmende Sichtweise auf die Selbstverständlichkeit, mit der „einst“ der Blick Europas auf den Rest der Welt gefallen ist.
Fast nur Experten geläufig sei der Name Goran Trbuljak, sagt Sabine Breitwieser. Dennoch sei der 1948 in Varazdin in Kroatien geborene Künstler einer der wichtigsten Exponenten zeitgenössischer Kunst, als einer der ersten, der den Kunstbetrieb hinterfragt und de-konstruiert habe. So steht man denn zugleich schmunzelnd, bewegt und nachdenklich vor dem Buchstaben „B“ – ganz oben mit Schreibmaschine auf ein weißes Blatt Papier getippt. „B. die Oberfläche des Buchstabens B betrachtend, versuche die Musik von J. S. Bach zu hören“, ist der Text auf dem zweiten Blatt der zweiteiligen Arbeit. Besagter B versuche auch, „irgendeine Tafel von Leonardo da Vinci zu sehen“. Das ist so ironisch wie erhellend. Immerhin sind diese Arbeiten aus 1971.
„Ich möchte nichts Neues und Originales ausstellen“ ist Text und Titel eines weiteren Blattes aus 1971, das zehn Jahre später eine „Retrospektive“ erfährt: „Ich möchte nichts Neues und Originales ausstellen, die Tatsache, dass jemand die Gelegenheit erhält, eine Ausstellung zu machen, ist wichtiger als das, was dann konkret ausgestellt wird; mit dieser Ausstellung wird die Kontinuität meiner Arbeit aufrecht erhalten.“
Im „Rainforest V“ aus den Jahren 1973/2015 erobern sich zahlreiche schrullige Objekte
von David Tudor & Composers Inside Electronics mit viel physischer und akustischer Turbulenz den ersten Raum der Schau. „Installation, Ensemble von Gegenständen, Geräuscharchiv gehören dem Museum der Moderne Salzburg und wurden angekauft mit Mitteln der Generali Foundation“. Sehr viel leiser ist der beinahe sakral und leer wirkende Raum, den Joelle Tuerlinckx in Anspruch nimmt: Von einer Sammlung Dias, wird eines mit dem Schriftzug „WALL“ an die Wand projiziert. Ein Stück „gefundenes Papier“ hat eine gelbe Ecke.
Heimo Zobernig, Carolee Schneemann oder Harun Farocki gelten große Räume mit raumgreifenden Arbeiten, vor allem Videoinstallationen. Auf der Treppe von Heimo Zobernig möchte man durchaus gerne Platz nehmen und jausnen. Aber das ist verboten: „Sie ist ein autonomes Kunstwerk, das sich entzieht, das nicht zu berühren oder zu benutzen ist.“ Die Zobernig-Treppe ist bekannt aus dem Forum Stadtpark, im MdM fehlt die unterste Schichte der „monumentalen“ Styropor-Kuben. Sie füllt auch so den Raum bis zur Decke.