Die „erfundenen“ Weihnachtsgeschichten
DOMQUARTIER / DOMMUSEUM
22/11/16 Ist ja nicht nichts, wenn der liebe Gott höchstpersönlich geboren wird! Jedenfalls beflügelt es die Vorstellungskraft. Da will man mehr wissen, als die nicht gerade schwatzhaften Evangelisten (und von diesen Vieren gar nur Matthäus und Lukas) zur Sache notiert haben.
Von Reinhard Kriechbaum
Weil aber die Idee vom Mensch gewordenen Gott nun seit zweitausend Jahren das Christentum trägt, hat dieses Geburtsfest die Menschen seit je her angeregt. Es wurde nicht wenig dazu erfunden. Womit war Maria beschäftigt, als der Engel ihr die „große Freude“ verkündete? Mit Handarbeit? Mit Lesen? Im 8. Jahrhundert schon hat man ihr zugetraut, dass sie alphabetisiert war. In der Bibel steht's nicht. Der Theologe Origines (185-254) ist auf die Idee gekommen, zwei vom Propheten Jesaia genannten Tiere – Ochs und Esel erkennen ihren Herrn bzw. die Futterkrippe – aufs Weihnachtsgeschehen zu beziehen. So kamen also in der Antike schon Ochs und Esel in die Geschichte.
Von der Verkündigung bis zur Darstellung des Herrn sind religiöse Bilder angereichert worden um Motive, die so nicht in der Bibel stehen, bestenfalls in apokryphen (also nicht autorisierten) Evangelienberichten. Oder in mittelalterlichen Quellen wie der „Legenda aurea“, einer Fundgrube für ausschmückenden Geschichten. Auf diesen erzählerischen Mehrwert will man in der Schau „Alle Jahre wieder“ hinweisen.
Kirchenkünstlern gerade im bayerisch-österreichischen Raum hat es nicht an Fabulierlust gemangelt. Hat man das vor Augen, findet man sich im Nordoratorium des Doms recht ernüchtert: Der Ideenüberschwang, das Vergnügen, ein wenig mehr zu erzählen – all das kommt einem sehr verhalten entgegen. Geradeheraus gesagt: Ein wenig mehr Hirnschmalz und eigene Schauerfahrung hätten die Gestalter der Schau schon investieren dürfen. Und Vitrinen brauchen nicht gar so verloren herumzustehen auf immerhin 400 Quadratmetern.
Man hat Dinge aus Göttweig und Kremsmünster geborgt, auch vom Salzburg Museum. Auf die Idee, die hauseigene (!) Sammlung Rossacher anzuzapfen, ist offenbar niemand gekommen. Auch die Residenzgalerie hätte nicht wenig einschlägige Bilder.
Ja schon, nett ist das kleine Bild (18. Jahrhundert), wo ein Salzburger Wirt das heilige Paar abweist. Fürwahr keine Salzburger Tourismuswerbung! Leicht könnte man ein detail übersehen in einem Bild von der Flucht nach Ägypten: Da trottet die heilige Familie mit einem Engel als Eselsführer recht geruhsam ins Exil, aber im Hintergrund holt ein Engel mit einem Blitz aus und zerschmettert ein Götzenbild. In diese Richtung könnte eine solche Bildersammlung gehen, und sie müsste assoziativ gehängt sein, auf dass die Schaufreude von Bild zu Bild steige.
Das DomQuartier ist nun schon geraume Zeit in Betrieb. Manche Schatzzwerge g'schafteln, wie es aussieht, in einem für sie zu großen Ganzen. Am Nebeneinander mehrerer Institutionen wird so schnell nichts zu ändern sein. Aber eine starke Supervision, eine Qualitätskontrolle im eigenen Haus und vor allem das Engagement guter Museums-Didaktiker – das sollte man sich schon leisten. Eine
Ausstellung wie diese ist jedenfalls kontraproduktiv für die Dachmarke.