Wie sie mit- und voneinander leben
HAUS DER NATUR / NATURILLUSTRATION
19/10/16 Das Faultier hängt so sagenhaft faul rum, dass sich unter seinem Fell Algen bilden. Diese dienen den Raupen von Schmetterlingen als Nahrung. In einem solchen Fall sprechen Biologen von „Symbiose“. Beide Partner haben was davon. Symbiosen in exotischen Landen sind Thema für den bildenden Künstler Johann Brandstetter.
Von Reinhard Kriechbaum
„Die feine Kunst der Naturillustration“ ist Untertitel der Schau im Haus der Natur, und das hat etwas Doppeldeutiges. Der bayerische Maler und Zeichner ist nämlich einer der gefragtesten Illustratoren, wenn es um Tiere geht. Von Bilderbuch bis zum Nachschlagewerk illustriert er landauf, landab. Rund zweihundert Bücher tragen seine zeichnerische Handschrift. Der Hattrick ist ihm gelungen, als er Anfang der 1990er Jahre „Die Evolution der Menschen“ zu Papier brachte. Links hockt der Affe, rechts in der Reihe steht stolz der Homo erectus. Das Motiv ist gut verkauft und wohl zigtausendmal unautorisiert verbreitet oder paraphrasiert worden. Bei „National Geographic“ ist's sogar auf der Titelseite gelandet. Mehr Erfolg geht nicht in der Disziplin Naturillustration.
Für die Schau, die jetzt ein Jahr lang im Haus der Natur zu sehen ist, geht es aber um Kunst. Symbiotische Verhältnisse zwischen Tieren, Tieren und Pflanzen, Flechten und Pilzen oder dergleichen hat Johann Brandstetter beobachtet und in Mischtechnik zu einer Art assoziativer Collage zwischen Bild und handschriftlichem Text gefügt. Es sind Skizzen eines genauen Natur-Beobachters und ehrlichen Stauners ob der Wunderwelt im Großen und Kleinen.
Nicht wenig staunen darf auch derjenige, der den naturkundlichen Informationswert etwas höher einschätzt als das Künstlerische dieser Blätter. Das fängt bei der Symbiose zwischen Mensch und Tier ganz allgemein an: Die Nutz- und Haustiere dieser Welt wiegen mehr als das Fünffache aller auf unserem Planeten lebenden Menschlein! Nett ist auch die Dreierbeziehung zwischen Honiganzeiger, Honigdachs und Schwarzafrikanern: Ersterer ist ein Vogel, der einen rechten Tanz aufführt, wenn er Wildbienen entdeckt. Ohne Hilfe käme er aber nicht an das Wachs kommt, auf das er es abgesehen hat. Mit seinem Tanz macht der Vogel den Honigdachs aufmerksam, der kräftig in die Baumrinde beißen kann. Dann stürzt sich einer aufs Wachs, der andere auf den Honig. Dritter im Bunde ist der Mensch, der den Vogel und sein Treiben beobachtet und so auch an den süßen Honig kommt.
Der Laie staunt, dass die Echse mit dem hübschen Namen Dornschwanzagame und ein eher unguter Zeitgenosse, der Kaiserskorpion, in einer WG zusammenleben. Nicht immer vertragen sich jene, die eine Symbiose bilden: Raben und Wölfe wären wohl wie Hund und Katz aufeinander. Aber weil Aas nun mal oft eine dicke Haut hat, brauchen die Raben die spitzen Reißer der Wölfe. Dann kommen sie – als zweite Jausengäste – doch noch ran ans Futter.