Das letzte Haus hat eine Aussicht
OTTO BECK / KÜNSTLERSARG
29/10/10 Seit Jahren redet Otto Beck - wann immer man ihm in den Gassen und Straßen begegnet - von nichts anderem, als von Särgen: „Jetzt ist es bald soweit…“Nun ist es tatsächlich so weit: „Der individuell zu gestaltende und vom Bestattungsinstitut akzeptierte Sarg ist da.“ Zeit- und stilgerecht vor Allerheiligen und Allerseelen.
Von Heidemarie Klabacher
Ätherisch-wolkiges Blau - auferstehen, oder zumindest hinüberschweben, scheinen in diesem Sarg-Modell garantiert. Jemand anderer will sich auf die Chöre der Cherubim und Seraphim nicht verlassen und auch „drüben“ lieber selber musikalisch tätig sein: Der Schrammel-Sarg ist auch ein Instrument - außen ist tatsächlich eine dicke Klaviersaite montiert, die mittels funktionierender Mechanik angeschlagen werden kann. Man kann den letzten Weg auch mit Sportsgeist antreten: „Transit-Alpin“ heißt eine grellbunt beschriftete „Fluchtkiste“, die mit Schiern und Schistöcken ausgestattet ist.
Understatement zeichnet ein weiteres - schlicht weißes - Modell aus: auf dem Deckel ein rostrotes lang gezogenes „Andreaskreuz“, auf die vier Seiten verteilt Worte aus dem Johannes-Evangelium „Ich bin die Auferstehung und das Leben“.
Der Deckel ist offen, innen ist (hoffentlich noch lange) ein Regal, auf dem vorläufig eine Madonna Unterstand gefunden hat: Das ist der Sarg von Pater Franz Lauterbacher OSB, dem Pfarrer von Mülln. „Nach tausend Begräbnissen in zehn Jahren hat man eine Beziehung zum Tod“, sagt Pater Franz im Gespräch mit DrehPunktKultur. Er habe die Urnenbeisetzungen beider Eltern von Otto Beck geleitet. So sei man in Kontakt gekommen. Die Beck’sche Idee eines künstlerisch gestalteten Sarges habe er gerne aufgegriffen. Wolfgang Seierl hat Pater Franz Lauterbachers Sarg gestaltet.
Wer einen John Cage im Klangmobil vom Flughafen abholt, wer als Märchen erzählender Charon den Lebenden als Fährmann dient (und sei es nur über die Salzach) - der darf auch über die künstlerische Gestaltung der allerletzten Herberge des Menschen nachdenken. Otto Beck präsentiert sein Herzensprojekt „Minimal Housing“.
„Wenn ein Metallbildhauer stirbt und in einem Buchensarg begraben wird - was hat das mit ihm zu tun?“, fragte Otto Beck die zahlreichen Vernissage-Besucher am Donnerstag (28.10.) in der Galerie der Stadt Salzburg. Niemand wusste Antwort. Und damit hat Otto Beck sein Anliegen auf den Punkt gebracht: Die letzte Herberge, das letzte kleinste Haus soll nicht eine anonyme Kiste sein, sondern mit dem Menschen auch zu tun haben, der darin seinen letzten Weg antritt. Musterbeispiel: Der Perkussionist und Klangkünstler Gerhard Laber hat Klangscheiben auf dem Deckel des Grundmodell aus „leichtem Pappelholz“ montiert.
All das erfordert freilich, sich ehzeitig mit dem eigenen Ableben, oder gar mit dem Ableben eines seiner Liebsten, auseinander zu setzen. Und das ist in Zeiten von Jugendwahn - trotz Euthanasie-Gefahr und Patienten-Verfügung - so gar nicht „in“. Sich über das letzte Heim Gedanken machen sollte man aber, wenn das Modell nicht von der Stange sein soll: „In den drei Tagen, in denen tatsächlich ein Trauerfall zu organisieren ist, ist es zu spät“, betont Otto Beck.
Entscheidend für den Erfolg der Aktion war, so Beck, dass man ein offenes Ohr bei der Städtischen Bestattung Salzburg gefunden hat und mit einem der größten Sarghersteller Europas, der Holzindustrie Moser aus St. Michael im Lungau, zusammen arbeitet. Bei der Firma Moser kann der „Moser SO 21600 Künstlersarg“ über Bestattungsinstitute weltweit bestellt werden. Mit der Städtischen Bestattung Salzburg könne vereinbart werden, dass man dereinst in eben diesem Sarg abgeholt werden möchte.
Der Arzt Gerhard Schreder will in einem Schiffssarg seinen letzten Weg antreten. Das Schiffsmotiv greift auch der Maler Rupert Gredler auf, welcher sein „Rettungsboot“ aus realistisch bemalten Totenbrettern zusammenfügt. Einen Flügel-Sarg ließ der Rechtanwalt und Jazzpianist Peter Schrammel anfertigen. Für einen anonymen Prominenten hat die Keramikerin Marianne Ewaldt einen Sarg mit einem Labyrinth aus Blattgold belegt…
Fotos des französischen Funeral-Art-Künstlers André Chabot mit dreißig Bildern seiner „Begräbnis-Inszenierungen“ ergänzen die Ausstellung „Minimal Housing“ in der Galerie der Stadt Salzburg.